Laschet, Merz, Röttgen, Spahn

Das K-Dilemma der CDU

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Berlin -

Die CDU sucht ihren neuen Superstar. Angela Merkel sitzt zwar noch im Kanzleramt. Aber längst wird auf offener Bühne nicht nur ein neuer CDU-Vorsitzender, sondern auch ein tauglicher Kanzlerkandidat für die Union gecastet. Das ist neu und einzigartig. Niemals zuvor suchten die Kanzlerparteien CDU und CSU einen Nachfolger für einen amtierenden Regierungschef. Inzwischen sind vier Kandidaten im Rennen – und CSU-Chef Markus Söder mischt auch noch mit. Das macht die Sache kompliziert – auch deshalb, weil es in der Union für die Klärung der K-Frage kein festgelegtes Verfahren gibt. Eine kommentierende Analyse von Lothar Klein.

Nicht zuletzt deshalb war es möglich, dass Überraschungskandidat Norbert Röttgen gestern seine drei inoffiziellen Mitbewerber Friedrich Merz, Armin Laschet und Jens Spahn kalt erwischte. Der einst in Merkels Kabinett als „Muttis Klügster“ bekannte CDU-Mann zwingt die übrigen drei Bewerber jetzt aus der Deckung. Heute setzt sich das von Noch-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) geleitete Casting fort. Zum Frühstück erschien Röttgen in der CDU-Zentrale, später folgen Armin Laschet und Jens Spahn. Schon gestern sprach AKK eine Stunde lang mit Friedrich Merz. Eines aber hat Röttgen bereits verhindert: Das ein neues CDU-Führungsteam im Hinterzimmer ausgekegelt wird.

Auch eine Mitgliederbefragung scheint nicht mehr ausgeschlossen: „Ich bin auch optimistisch, dass die Meinung in der Partei, in der ganzen Breite der Partei, sich immer mehr so durchsetzt, dass das keine Lösung hinter verschlossenen Türen sein kann“, sagte Röttgen nach seinem Treffen mit AKK. Röttgen sprach von einem guten und freundlichen Gespräch mit Kramp-Karrenbauer, „weil wir beide seit langem in freundlicher Verbindung stehen“. Über Details wolle er nicht berichten, habe aber in der Öffentlichkeit wie in Gesprächen nur eine Botschaft: „Es geht um mehr jetzt, als um eine reine Personalentscheidung. Es geht um eine inhaltliche Positionsbestimmung für die Zukunft der CDU. Und die muss offen erfolgen und nicht hinter verschlossenen Türen.“

Röttgen erwartet, dass demnächst weitere mögliche Kandidaten aus der Deckung kommen und öffentlich ihre Kandidatur erklären. Er sei kein Kandidat unter Konditionen oder Bedingungen, sondern stehe für seine Überzeugungen ein. „Ich nehme mal an, dass andere das jetzt dann bald für sich auch entscheiden und der Partei mitteilen“, sagte Röttgen. „Ich finde, man muss auch wissen für sich, ob man nun einsteht für die Zukunft der CDU oder ob es da Bedingungen gibt.“

Die Bild-Zeitung räumt Röttgen sogar gute Chancen ein: Laut einer Umfrage unter den Bild-Lesern mit zuletzt 185.000 Teilnehmern erobert Röttgen unter den vier möglichen Bewerbern Platz eins. Der Politiker aus NRW vereinte mehr Stimmen auf sich als Jens Spahn und Armin Laschet zusammen. Mit 48 Prozent lag Röttgen knapp vor Friedrich Merz (42 Prozent), umso deutlicher allerdings vor Armin Laschet (6 Prozent) und Jens Spahn (5 Prozent).

Doch weder Umfragen noch Mitgliederbefragungen sind Garanten für späteren Erfolg. Das hat Röttgen bereits selbst bitter erfahren: 2010 trat Röttgen in der Urwahl um den NRW-Parteivorsitz an und bezwang ausgerechnet Laschet. Bei der darauffolgenden Landtagswahl 2012 fuhr Röttgen eine krachende Niederlage ein, als er für die CDU das historisch schlechteste Ergebnis bei einer NRW-Landtagswahl holte. Ministerpräsidentin wurde erneut Hannelore Kraft (SPD). Heute regiert Laschet das bevölkerungsreichste Bundesland.

Ein Blick zurück in die Geschichte von CDU und CSU beleuchtet die einzigartige Lage der Unionsparteien am Ende der Ära Merkel: 1963 zwang die damalige Union/FDP-Regierung mitten in der laufenden Wahlperiode Konrad Adenauer zum Rücktritt und wählte Ludwig Erhard zum 2. Bundeskanzler. Darauf folgte 1966 die erste Große Koalition unter CDU-Kanzler Kurt-Georg Kiesinger. Anschließend übernahm die SPD zunächst unter Willy Brandt und später Helmut Schmidt das Ruder, bis es 1982 Helmut Kohl mit Hilfe eines konstruktiven Misstrauensvotums und den Stimmen der FDP ins Kanzleramt schaffte. Dazwischen lagen für die Union große Wahlerfolge unter Franz-Josef Strauß und Kohl, die aber keine Regierungsmehrheiten ergaben.

1980 entschied die CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Streit der Schwesterparteien über die Kanzlerkandidatur zu Gunsten von CSU-Chef Strauß. Das könnte eine Variante für die aktuelle Entscheidung sein. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich noch nicht zu Wort gemeldet. Bekanntermaßen wurde Kohl 1998 als kandidierender Regierungschef aus dem Kanzleramt von der ersten rot-grünen Koalition mit Gerhard Schröder an der Spitze gewählt. Den nächsten Kanzlerkandidaten der Union kungelten Angela Merkel und Edmund Stoiber bei einem Frühstück aus. 2002 trafen sich Merkel und Stoiber im Wolfrathshausener Wohnhaus des CSU-Chefs. Zwar hatte Merkel als CDU-Chefin zuvor ihr Interesse an einer Kandidatur signalisiert. Aber Stoiber setzte sich durch. Merkel überließ Stoiber die Kanzlerkandidatur. Der verlor aber knapp gegen Rot-Grün und Merkel eroberte 2005 nach einer vorgezogenen Bundestagwahl das Kanzleramt.

Der Rückblick liefert für die Union also keine Blaupause für die Lösung des K-Dilemmas. Eine Verfahrensordnung in den Satzungen der beiden Parteien gibt es nicht. Eine Mitgliederbefragung wäre alleine schon deswegen schwierig, weil die CDU mit rund 400.000 Personen deutlich mehr Mitglieder auf die politische Waage brächte als die CSU mit 140.000. Viele in der Union gehen daher davon aus, dass NRW-Ministerpräsident Laschet das Rennen für sich entscheiden kann, wenn er nur will. Bei jeder Wahl hat der mitgliederstärkste CDU-Verband NRW stets ein gewichtiges Wort mitzureden. Mit seiner jovialen und wenig kantenreichen Art könnte es Laschet möglicherweise sogar gelingen, sich mit den Stimmen der SPD noch während der laufenden Wahlperiode ins Kanzleramt wählen zu lassen.

Denn auch das Interesse der SPD an Neuwahlen ist angesichts der schlechten Umfragen gering. Vieles erscheint daher politisch denkbar und möglich – Überraschungen eingeschlossen. Und was macht „Mutti“? Wäre Merkel bereit, einem Nachfolger das Kanzleramt vorzeitig zur Profilierung als Regierungschef zu überlassen. Laschet vielleicht – ihrem Erzrivalen Merz vermutlich nicht.

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