EU-Workshop Apotheken

Aufmarsch der Apothekenlobby

, Uhr
Berlin -

Als „groteske Veranstaltung“ bezeichnete ein Besucher den Workshop der

EU-Kommission zur Liberalisierung des Apothekenmarktes. Hinter

verschlossenen Türen diskutierten am vergangenen Mittwoch in Brüssel

rund hundert geladene Vertreter verschiedener Interessengruppen über pro

und kontra der Liberalisierung des Apothekenmarktes. Während die

Kommission auf einen „offenen Dialog und Meinungsaustausch“ hoffte,

nutzten die meisten Teilnehmer die Gelegenheit, um ihre jeweiligen

eigenen Geschäftsinteressen vorzutragen.

Für den Gastgeber erklärte Generaldirektor Jörgen Holmquist den Teilnehmern zur Begrüßung die Motivation der Kommission: Aufgrund von Beschwerden sei man gezwungen, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, hoffe aber auf eine Lösung ohne Gerichtsverfahren. Warum der Dialog allerdings erst nach der mündlichen Verhandlung im ersten Verfahren gesucht wird und warum die Verfahren zum Teil auch ohne Beschwerden eingeleitet wurden, ließ Holmquist offen.

Nachdem verschiedene Wissenschaftler ihre Studien zum Apothekenmarkt präsentiert hatten, kamen die Vertreter der geladenen Interessengruppen zu Wort: Der Generalsekretär des europäischen Apothekerverbandes PGEU warnte am Beispiel der Finanzkrise vor den Folgen einer kommerziell motivierten Marktfreigabe. Dagegen sprachen sich die private Lobbyorganisation Health Consumer Powerhouse sowie der Verband der europäischen sozialen Apotheken (EUSP) - heute mehrheitlich Kettenapotheken - für eine Liberalisierung aus.

Neutrale Positionen nahmen das Europäische Patientenforum sowie der europäische Großhandelsverband GIRP ein. Allerdings garnierten die Großhändler ihre „neutrale“ Haltung mit einem Erfahrungsbericht des niederländischen Großhändlers und Kettenbetreibers OPG.
Die anschließende Diskussion zu den Aspekten Freiheit (gemeint ist Deregulierung), Zugang und Qualität nutzten verschiedene Interessengruppen, um ihre ganz persönlichen Anliegen, zum Teil auch zu anderen Themen, vorzutragen. Eine regelrechte Delegation spanischer, italienischer und französischer Apotheker schilderte ihre persönlichen Probleme mit der Bedarfsplanung. Ein Gesandter der Supermarktkette Carrefour forderte die Aufhebung der Apothekenpflicht für OTC-Produkte, ein Celesio-Vertreter führte bestimmte Qualitätselemente in Großbritannien auf das Engagement von Lloydspharmacy zurück.

Auch einige Vertreter von Apothekerkammern und -verbänden aus ganz Europa meldeten sich zu Wort, um ihre Bedenken und Erfahrungen mitzuteilen, wurden jedoch teilweise vom Versammlungsleiter mundtot gemacht. Die spanische EU-Parlamentarierin Cristina Gutiérrez-Cortines kritisierte das Vorgehen der EU-Kommission. Dagegen bezeichnete der italienische Abgeordnete Beniamino Donnici die Liberalisierung als überfällig. Auch ein Vertreter der irischen Wettbewerbshörde dementierte mögliche negative Folgen einer Marktfreigabe.

Am Nachmittag widmete sich die Kommission dem Thema noch einmal exklusiv mit Vertretern der Mitgliedstaaten. Wie am Vormittag scheint auch in dieser Sitzung kein wirklicher Dialog zustande gekommen zu sein.
Die Kommission formulierte ihr Resümee wie folgt: „Die Teilnehmer des Workshops kamen überein, dass es im Anschluss an den erfolgten konstruktiven Diskurs, durchaus sinnvoll erscheint, diesen strukturierten Dialog innerhalb der Europäischen Union fortzusetzen, sodass Informationen über optimale Verfahren, inwieweit sich bestimmte hochqualitative Apothekendienstleistungen weiterentwickeln und bestehende Hemmnisse des Binnenmarkts abbauen lassen, ausgetauscht werden könnten.“
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