Arzneiverordnungsreport

AOK: Lieber keine Reform als „AMNOG 0.5“

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Berlin -

Der Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, hält nichts von Hermann Gröhes Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG). Angetreten als „AMNOG 2.0“ sei die Reform jetzt nicht viel mehr als ein „AMNOG 0.5“. Statt die derzeitigen Regelungen aufzuweichen, wäre ihm ein „Reformverzicht“ lieber, so Litsch bei der Präsentation des aktuellen Arzneiverordnungsreports (AVR).

Laut Litsch wachsen vor allem bei den patentgeschützten Präparaten die Ausgaben massiv, ohne dass die Politik ein adäquates Gegenmittel habe. Statt die Patienteninteressen in den Mittelpunkt zu rücken, gehe es vorrangig um die Gewinninteressen der Pharmaindustrie. „Ihre Wünsche finden sich an vielen Stellen des Entwurfs wieder“, so Litsch.

Als Beispiele nennt er die geforderte Vertraulichkeit der Erstattungspreise. Der AOK-Chef verwies exemplarisch auf die Mehrwertsteuer, die bei Berechnung auf Basis der Listenpreise hohe zweistellige Prozentsätze annehmen könnte. Auf die Folgen für die Handelsspannen von Apothekern und Großhändlern und das Verordnungsverhalten der Ärzte hatten die Kassen bereits in ihrer Stellungnahme zum Gesetz hingewiesen.

Laut Litsch gibt es keinerlei Belege dafür, dass intransparente Preise zu höheren Rabatten führen. Seiner Meinung nach sollen mit dem AM-VSG zahlreiche Regelungen im Sinne der Industrie gelockert werden. Er sehe nicht, dass bei den Pharmaherstellern große Not herrsche, und werde sich weiter vehement für Preistransparenz einsetzen.

Die Entwicklung bei den hochpreisigen Medikamenten sind laut AVR auch der Grund für den Anstieg der Arzneimittelausgaben der Kassen auf den Rekordwert von 36,9 Milliarden Euro. In nur zwei Jahren seien die Kosten um 4,8 Milliarden Euro gestiegen.Der Markt mit patentgeschützten Arzneimitteln wuchs binnen eines Jahres um 9,7 Prozent auf 14,9 Milliarden Euro.

Laut AVR liegt der durchschnittliche Preis patentgeschützter Präparate bei 369 Euro, das sind 180 Prozent mehr als 2006 und 13-mal soviel wie im Bereich der Generika. Vor allem bei den Neueinführungen gibt es dem Gutachten zufolge Probleme: Die 126 Newcomer der vergangenen drei Jahre kosteten im Durchschnitt 4230 Euro pro Packung, die zehn teuersten 16.000 Euro und das teuerste 99.000 Euro. „Scheinbar sind in einigen Therapiebereichen wie der Krebsmedikation oder der Behandlung der Multiplen Sklerose nahezu beliebig hohe Preise durchsetzbar“, so Jürgen Klauber, AVR-Berater und Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido).

Einmal mehr wollen die Autoren belegen, dass die Preise in Deutschland höher sind als im Ausland: Auf Basis der Herstellerabgabepreise könnten gegenüber dem Länderkorb Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Österreich und Schweden 25,2 Prozent eingespart werden, Unterschiede beim Bruttoinlandsprodukt bereits berücksichtigt. Zieht man Einsparungen aus Herstellerrabatten und Erstattungsbeträgen ab, reduziert sich das Einsparpotenzial von 3,2 auf 1,44 Milliarden Euro. Nicht berücksichtigt sind Spareffekte in den Vergleichsländern.

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