Klagen gegen Antibiotika-Ausschreibung

AOK-Chef wütend auf Generikafirmen

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Berlin -

Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, ist enttäuscht: Da hat seine Kasse bei der Ausschreibung von Rabattverträgen über Antibiotika erstmals auch Standortfaktoren berücksichtigt – und trotzdem klagen vier Hersteller.

Eigentlich seien sich alle Akteure einig, dass Abhängigkeiten von ausländischen Lieferanten reduziert werden sollten, um Lieferengpässe gerade bei lebenswichtigen Arzneimitteln wie Antibiotika zu vermeiden, so Bauernfeind, Jenseits der öffentlichen Bekenntnisse sehe es jedoch ganz anders aus: Vier Hersteller gingen mit Nachprüfanträgen gegen das Ausschreibungsdesign der Sondertranche vor, die nun durch die Vergabekammer in Bonn geprüft werden müssten. Zwar gebe es auch eine ganze Reihe von Bietern. „Doch wir dürfen erst dann Zuschläge erteilen, wenn die Nachprüfungsanträge vom Tisch sind, mit denen momentan Unternehmen gegen unsere Ausschreibungskriterien vorgehen. Das Aberwitzige daran: Es sind genau jene Kriterien, für die sich insbesondere die Arzneimittellobby seit Jahren stark macht!“

Die AOK hatte im September unter der Bezeichnung „Z1“ fünf Antibiotika gesondert ausgeschrieben. Die Ausschreibung berücksichtigt auch besonderes Engagement für Liefersicherheit und Umweltschutz – laut Bauernfeind wurden damit alle Vorschläge aufgegriffen, die Vertreter der Politik und diverser Interessenverbände der Pharmahersteller regelmäßig propagierten, um die Abhängigkeit von fernöstlichen Herstellungsorten zu reduzieren. „Im Design der Ausschreibung haben wir die Zuschlagskriterien so erweitert, dass robustere Lieferketten und Umweltschutzaspekte zum Tragen kommen, und nicht einfach nur der günstigste Anbieter das Rennen macht. Zudem schreiben wir im Mehrpartnermodell aus.“

Die Reaktion der Hersteller findet Bauernfeind befremdlich: „Wir als Krankenkasse müssen uns jetzt gerichtlich gegen die Pharmaindustrie für deren Forderungen verkämpfen. Wir setzen uns also für die Durchsetzung von Kriterien ein, die die Industrie uns jahrelang abverlangt hat. Nur mit dem Unterschied, dass die Industrie jetzt von uns fordert, diese Kriterien wieder zurückzunehmen.“ Für die AOK sei das ein klares Zeichen dafür, dass es den Herstellern in Wirklichkeit um die Beibehaltung des Status quo gehe. „Die Hersteller ziehen es schon seit den 1970er- und 1980er-Jahren vor, in Fernost zu produzieren, und sie tun es wegen für sie weniger strenger Umweltschutzauflagen, möglicher Kosteneinsparungen und weniger restriktiver Auflagen des Arbeitsschutzes bis heute.“

Falls sich robustere Lieferketten und umweltfreundliche Produktionsbedingungen vertragsrechtlich nicht durchsetzen ließen, so wäre laut Bauernfeind die Politik gefordert, Maßnahmen für mehr Verlässlichkeit in der Arzneimittelproduktion in die Wege zu leiten. Vorerst werde sich die AOK gegebenenfalls auch noch in zweiter Instanz für ihr nachhaltigeres Ausschreibungsdesign einsetzen: „Wir haben ein durchdachtes Konzept vorgelegt, an dem sich andere Kassen, die Vertreter der Politik sowie verantwortungsbewusste pharmazeutische Unternehmen orientieren können. Ich bin mir sicher, dass es sich mittelfristig behaupten wird.“

 

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