Weil Dosierungsangaben fehlen

21.000 Euro: Kasse retaxiert DJ-Rezept für blinden Patienten

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Berlin -

Fehlende Dosierangaben auf dem Rezept können zu Retaxationen führen. In der Falkenberg-Apotheke in Lilienthal wurde ein Patient mit einer Verordnung ohne entsprechende Informationen trotzdem versorgt. Denn es ging um das Psycholeptikum Hetlioz (Tasimelteon), das für Blinde zugelassen ist. Die Vivida BKK retaxierte das Rezept mit einem Wert von rund 21.000 Euro allerdings. Der Fall sei nicht verhältnismäßig, sagt Filialleiterin Lena-Kim Kater. Die Krankenkasse empfiehlt selbst einen Einspruch.

Hetlioz von Vanda Pharmaceuticals ist zur Behandlung einer Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus bei völlig blinden Erwachsenen (Non-24-Hour Sleep-Wake Disorder) vorgesehen. Tasimelteon ist ein Melatonin-Rezeptor-Agonist und wirkt als zirkadianer Regler, der die innere Uhr im suprachiasmatischen Kern zurücksetzt. Der Wirkstoff ist seit Februar 2011 als Orphan Drug eingestuft.

Die empfohlene Dosis beträgt 20 mg pro Tag. Die Kapsel ist jeden Tag zur gleichen Zeit, eine Stunde vor dem Schlafengehen, einzunehmen. Bei dem Rezept, das im Sommer in der Falkenberg-Apotheke vorgelegt wurde, handelte es sich nicht um eine Erstverordnung. Der Patient wende das Arzneimittel seit mehr als einem Jahr an, sagt Kater.

Apotheke gab Anweisung in Braille-Schrift mit

Eine verminderte Arzneimitteltherapiesicherheit sei nicht zu befürchten gewesen. Auch wenn das Kürzel „Dj“ auf dem Rezept gefehlt habe, wäre „ein Übertragen der Dosierung auf die Packung für den blinden Patienten wertlos“ gewesen, sagt sie. Zudem sei für das Arzneimittel nur eine einzige Dosierung vorgesehen. „Wir haben selbstverständlich die Anweisung in Braille-Schrift mitgegeben.“ Dass der „Fehler des Arztes“ und die durch die Apotheke nicht erfolgte Korrektur mit mehr als 21.000 Euro bestraft werde, sei nicht verhältnismäßig. Aufgeschrieben waren drei Packungen.

Die Apotheke will sich gegen die Forderung wehren. „Es ist eine Sauerei, was hier mit den Apotheken als Lieferanten mit Kontrahierungszwang gemacht wird“, sagt Inhaber Uwe Hansmann. Die Retaxation wurde an den Landesapothekerverband Niedersachsen weitergegeben. Noch warte man auf eine Rückmeldung der Klinik, so die Apothekerin. Der Einspruch sei noch nicht bei der Kasse eingegangen.

Krankenkasse signalisiert Entgegenkommen

Die Vivida BKK rudert selbst schon zurück: Die Apotheke solle den Kontakt suchen, sagt eine Sprecherin der Kasse auf Anfrage. Wenn der Arzt im Nachgang bestätige, dass der Patient über die korrekte Dosierung aufgeklärt gewesen sei und ein „normaler Einspruch“ eingelegt werde, „dann kommt mach sicherlich zusammen“, sagt sie.

Sie erklärt, dass die Rezeptprüfung in dem Fall dem Willen des Gesetzgebers folgt. Denn die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) gibt seit 2020 vor, dass auf allen Verordnungen klare Dosierungsangaben zu jedem verordneten Medikament stehen müssen. Fehlen die Angaben oder der Hinweis „DJ“ (Dosierungsanweisung vorhanden: ja“), können die Kassen die Rezepte retaxieren. Zwischenzeitlich gab es pandemiebedingte Ausnahmen von der Regelung. Im Oktober 2021 endete die Friedenspflicht endgültig, die zwischenzeitlich verlängert worden war.

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