OTC-Dachmarken

Dolormin: Sieben Worte sind genug

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Berlin -

„Dolormin für Frauen bei Menstruationsbeschwerden mit Naproxen“: Kaum ein Arzneimittel hat einen umständlicheren Namen. Trotzdem sah das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Verwechslungsgefahr und verbot den Namen. Zu Unrecht, befand jetzt das Verwaltungsgericht Köln (VG). Dolormin sei nicht als Synonym für Ibuprofen zu betrachten.

Johnson & Johnson (J&J) hat seit 1992 mittlerweile 14 Präparate unter der Dachmarke Dolormin eingeführt. 2002 einigte sich der Hersteller mit dem BfArM auf den komplizierten Namen für das Naproxen-haltige Produkt gegen Regelschmerzen. Als 2012 die Zulassung verlängert werden sollte, verweigerte die Behörde plötzlich die Zustimmung. Nach erfolglosem Widerspruch klagte der Konzern.

Das BfArM habe keine Daten zur behaupteten Verwechslungsgefahr vorgelegt, argumentierte J&J. Sowohl Ibuprofen als auch Naproxen seien nicht-steroidale Antirheumatika; beide Wirkstoffe seien zur symptomatischen Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen sowie Fieber indiziert. Auch die pharmakologischen Eigenschaften seien sehr ähnlich. Eine Verwechslungsgefahr sei schon deswegen nicht zu erwarten, weil Dolormin für Frauen seit mittlerweile elf Jahren vertrieben werde. Dagegen würden bei Umbenennung die jahrelang aufgebauten Kundenbindungen, Werbematerialien und Informationen entwertet.

Das BfArM argumentierte, Ibuprofen und Naproxen seien sich pharmakologisch nicht ähnlich. Insbesondere sei die Dosierung unterschiedlich, wodurch bei Einnahme einer falschen Dosierung die Gefahr von Nebenwirkungen erhöht werde. Das Nebenwirkungsprofil unterscheide sich ebenfalls. Der Zusatz „mit Naproxen“ könne Verbraucher zu der Annahme verleiten, der Wirkstoff sei zusätzlich enthalten. Eine Irreführung könne allenfalls vermieden werden, wenn alle Dolormin-Präparate in ihrer Bezeichnung mit einem Hinweis auf den Wirkstoff ausgestattet würden. Einen entsprechenden Vergleichsvorschlag habe J&J jedoch abgelehnt.

Das VG folgte dem Hersteller. Die gedankliche Verbindung zur Dachmarke Dolormin führe nicht zu einer erheblichen Fehlvorstellung: „Der Markenname wird nur mit dem Anwendungsgebiet der Behandlung von Schmerzen verbunden, nicht jedoch mit der Erwartung, das Präparat beinhalte den Wirkstoff Ibuprofen.“ Im Bereich der Schmerzbehandlung gebe es zahlreiche Dachmarken mit unterschiedlichen Wirkstoffen. Dolormin habe daher keine Alleinstellung bezüglich Ibuprofen, zumal auch unter der Dachmarke bereits Produkte mit anderen Wirkstoffen existierten.

„Erzeugt eine Dachmarke lediglich eine Assoziation mit einem bestimmten Anwendungsgebiet, liegt keine Irreführung hinsichtlich des enthaltenen Wirkstoffes vor“, so die Richter. Doch selbst wenn man eine Verwechslungsgefahr unterstelle, seien die zu erwartenden Gesundheitsgefahren geringfügig: Weder in der Wirksamkeit noch bei den Nebenwirkungen gebe es gravierende Unterschiede; lediglich die Verteilung der einzelnen Risiken in ihrer Häufigkeit differiere.

So bestehe bei Ibuprofen eine höhere Gefahr der Nebenwirkungen auf Herz und Gefäße, während bei Naproxen eine höhere Wahrscheinlichkeit von Magen-Darm-Risiken bestehe. „Alleine Unterschiede in der Häufigkeit bestimmter Nebenwirkungen lassen jedoch nicht auf ein anderes Nebenwirkungsprofil schließen.“ Bei Verbrauchern mit entsprechenden Vorerkrankungen oder Allergien könne jedoch davon ausgegangen werden, dass sie sich gründlich über die Wirkstoffe und Risiken informierten.

Auch aus den unterschiedlichen Altersgrenzen und Dosierungsangaben innerhalb des Dolormin-Portfolios ergeben sich den Richtern zufolge keine größeren Gesundheitsgefahren. „Denn ein verständiger und aufmerksamer Verbraucher wird sich auch bei ihm bekannten Arzneimitteln über die Dosierung und die Anwendbarkeit bei Kindern informieren. Insbesondere wird er nicht davon ausgehen, dass alle Arzneimittel einer Marke hinsichtlich der Wirkstoffmenge und der Dosierung gleich sind.“ Eine falsche Anwendung aufgrund einer unterlassenen Information über die richtige Dosierung stelle zwar einen Arzneimittelmissbrauch dar. Dieser lasse sich jedoch nicht auf die Bezeichnung des Arzneimittels zurückführen.

Grundsätzlich sei der Bezeichnung eines Arzneimittels eine hohe Bedeutung beizumessen, da sie sich als werbliches Mittel „auch und gerade an den Patienten“ richte, räumen die Richter ein. Mögliche Fehlvorstellungen würden nicht generell durch die Apotheker korrigiert: „Ungeachtet neuer Vertriebswege wie dem Versand über Internetapotheken findet regelmäßig kein oder nur ein sehr eingeschränktes Informationsgespräch zwischen Käufer und Apotheker statt.“ Falsche Annahmen über den Wirkstoff und seine Anwendung seien folglich nicht alleine deshalb auszuschließen, weil ein Arzneimittel apothekenpflichtig sei.

Das Urteil reiht sich ein in die jüngere Rechtssprechung: Bayer setzte sich damit durch, Aleve in Aktren umbenennen zu dürfen. Stada kann seine Grippostad-Familie nach einem entsprechenden Urteil um ein Ibuprofen-Produkt erweitern. Das überzeugende Argument war stets dasselbe: Nicht der Wirkstoff, sondern die Indikation macht die Dachmarke.

Novartis war daher auch damit gescheitert, seine Herpescreme unter dem Namen Fenistil auf den Markt zu bringen. Der Hersteller, der mit seinem OTC-Geschäft mittlerweile zu GlaxoSmithKline gehört, hatte sein Portfolio umfassend überarbeitet – und nutzt seine bekannten Marken einfach als Abkürzung weiter: Otri bei Otriven, Feni bei Fenistil. Die Herpescreme wurde dagegen in Pencivir umbenannt – und muss im Zusammenhang mit dem Joint Venure ohnehin verkauft werden.

Doch auch andere Hersteller konnten sich nicht gegen das BfArM durchsetzen: Reckitt Benckiser benannte die freiverkäufliche Varianten von Dobendan um in Dobensana, der Hustensaft von Schaper & Brümmer heißt nicht Esberitox, sondern Esberi-Efeu.

Das BfArM hatte sich seit einigen Jahren aus Gründen der Arzneimittelsicherheit gegen Dachmarken gestemmt. Derselbe Name für Präparate mit unterschiedlichen Wirkstoffen sei irreführend; ältere Zugeständnisse etwa bei Dolormin oder Aspirin nicht mehr bindend. Gemeinsam mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gab die Behörde 2013 eine Leitlinie heraus, anhand derer alle Neueinführungen streng geprüft werden sollen.

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