Patient:innen mit Multipler Sklerose (MS) sind aufgrund ihrer Erkrankung besonders anfällig für Infektionen. Dennoch erhalten sie laut einer neuen Studie oft nicht die empfohlenen Schutzimpfungen – teils aus Unsicherheiten seitens der Hausärzte. Expert:innen fordern nun gezielte Maßnahmen, um die Versorgungslücke zu schließen.
MS-Patient:innen sind laut einer Studie häufig unzureichend geimpft, teils aufgrund von Bedenken der Hausärzte über mögliche Wechselwirkungen oder Nebenwirkungen, wie Forscher des Universitätsklinikums Jena herausfanden. Sie befragten etwa 400 MS-Erkrankte, eine Vergleichsgruppe von 300 etwa gleich alten gesunden Menschen und rund 100 Hausarztpraxen.
Demnach hatten MS-Patient:innen nur etwa die Hälfte der empfohlenen Standardimpfungen. Dabei seien die Betroffenen besonders anfällig für Infektionen. In der gesunden Vergleichsgruppe sei die Impfrate sogar leicht höher. Die Gruppen hätten sich in ihrer Einstellung zum Impfen nicht unterschieden und nur wenige zeigten eine skeptische Haltung, hieß es weiter.
Unter den 109 beteiligten Hausarztpraxen gaben demnach 82 Prozent an, eine oder mehrere Impfungen nie oder selten zu empfehlen. Hauptsächlich sei die Angst vor möglichen Neben- und Wechselwirkungen als Grund angegeben worden. Die Unsicherheit sei nachvollziehbar, hieß es – denn jede Hausarztpraxis behandle im Schnitt nur weniger als zehn MS-Patienten.
Es gebe aber keine Belege, dass Impfungen Schübe oder eine Verschlechterung des Verlaufs auslösen könnten, erklärte Studienleiter Florian Rakers. Er empfahl daher, in einigen MS-Behandlungszentren Impfzentren zu etablieren. Das könne zu einer besseren Versorgung beitragen.
MS ist eine autoimmun bedingte, chronisch-entzündliche Erkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem die schützenden Myelinscheiden der Nervenfasern im zentralen Nervensystem angreift. Typisch ist ein Verlauf in Schüben, bei dem sich Symptome wie Sehstörungen, Taubheitsgefühle oder Koordinationsprobleme plötzlich verstärken und sich anschließend teilweise oder ganz zurückbilden können. MS kann jedoch auch schleichend voranschreiten (progredienter Verlauf). Zu den häufigen Frühsymptomen zählen Missempfindungen, Fatigue und Gleichgewichtsstörungen.
Obwohl die genauen Ursachen weiterhin nicht vollständig geklärt sind, wird von einem Zusammenspiel genetischer Faktoren und Umweltfaktoren – wie beispielsweise Viruserkrankungen, Vitamin-D-Mangel oder Rauchen – ausgegangen. In Deutschland sind laut dem Universitätsklinikum Jena etwa 250.000 Menschen betroffen, wobei Frauen häufiger an MS erkranken als Männer. Die Krankheit tritt meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr zum ersten Mal auf und kann sich sehr unterschiedlich äußern, was sie zu einer „Krankheit mit tausend Gesichtern“ macht.
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