Gesunde Zellen bleiben unberührt

Glioblastom: Der Tumor, der sich selbst zerstört

, Uhr
Berlin -

Wissenschaftler:innen des Forschungszentrums Jülich haben in einer aktuellen Studie gezeigt, dass mithilfe einer neuartigen selektiv exprimierten RNA (seRNA) Glioblastom-Krebszellen gezielt angegriffen werden können. Die seRNA veranlasst Tumorzellen dazu, ein Protein zu produzieren, das den programmierten Zelltod einleitet, während gesunde Zellen unberührt bleiben, da die seRNA in ihnen inaktiv bleibt.

Die Entwicklung zielgerichteter Therapien hat in der Medizin große Fortschritte ermöglicht. Während mRNA-Moleküle in jeder Zelle aktiv sind, entfalten seRNA-Moleküle ihre Wirkung erst, wenn sie eine spezifische Zielzelle erkennen. Diese innovative Technologie basiert auf der selektiven Aktivierung von seRNA, die nur in Zellen mit einer passenden, krankheitsspezifischen RNA (target sense RNA) aktiviert wird. Die von den Forschenden etablierte Methode, deren Wirksamkeit an Mäusen getestet wurde, könnte nicht nur in der Krebstherapie, sondern auch zur Bekämpfung von Viren und genetischen Erkrankungen wie Zystischer Fibrose eingesetzt werden.

„Die zelleigene RNA als ,Schalter‘ zu nutzen, ist völlig neuartig“, erklärt Dr. Bernd Hoffmann vom Institut für Biologische Informationsprozesse, Bereich Mechanobiology des Forschungszentrums (IBI-2). „Und das Baukasten-Prinzip macht die seRNA zu einer vielversprechenden Plattformtechnologie.“

Ein RNA-Baukasten für vielseitige Anwendungen

Die neue Technologie nutzt die Flexibilität der seRNA, um je nach Bindung an spezifische mRNA-Bausteine unterschiedliche Proteinproduktionen in erkrankten Zellen zu aktivieren. Dies eröffnet nicht nur Möglichkeiten für die Therapie von Glioblastomen, sondern auch für andere Krebsarten, virale Erkrankungen wie Hepatitis B und Autoimmunerkrankungen. „Mit der Entwicklung der seRNA-Moleküle für medizinische Anwendungen können wir den zielgerichteten Angriff erkrankter Zellen sicherstellen und dies gleichzeitig mit der selektiven Produktion von Wirkstoffen kombinieren“, betont Professor Rudolf Merkel, Direktor des IBI-2.

Das seRNA-System arbeitet durch Erkennung tumorspezifischer mRNA, die es ermöglicht, gezielt RNA-Doppelstränge zu bilden. Diese Doppelstränge werden von der Zelle als Bedrohung wahrgenommen, wodurch sie weitere Komponenten der seRNA aktiviert. Das führt zur Produktion eines Enzyms, das die Krebszelle zerstört. Gesunde Zellen bleiben verschont, da der spezifische Krebsmarker fehlt.

Zukunftsperspektiven für seRNA

Das IBI-2 beabsichtigt die Technologie im Rahmen eines Forschungsauftrags weiterzuentwickeln und zu optimieren, insbesondere für den Einsatz gegen Glioblastome und Leberkrebs. Die präklinische Phase und erste toxikologische Studien stehen für diese Indikationen allerdings noch bevor. Dank des modularen Aufbaus könnte die Plattformtechnologie eine neue Generation von Medikamenten hervorbringen, die effektiver und nebenwirkungsärmer sind als bisherige Ansätze, schätzen die Forschenden aus Jülich.

Die Studie wurde Anfang Januar unter dem Titel „Selektiv exprimierte RNA-Moleküle als vielseitiges Werkzeug für funktionalisiertes Zell-Targeting“ im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

APOTHEKE ADHOC Debatte