Blutzuckerkontrolle

Diabetikern droht Kahlschlag bei Teststreifen

, Uhr

7,5 Millionen Diabetiker leben in Deutschland, für viele von ihnen gehört die regelmäßige Blutzuckerkontrolle zum Alltag. Doch damit könnte bald Schluss sein: Ein Teil der Patienten soll Blutzuckerteststreifen nicht länger auf Kosten der Krankenkassen erhalten - so lautet zumindest das Zwischenfazit des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). In der kommenden Woche wird sich zeigen, ob das IQWiG auch in seinem Abschlussbericht an seiner Empfehlung festhält, auf deren Grundlage die Erstattung gestrichen werden könnte.

Diabetiker, die Teststreifen verordnet bekommen, werden unterschiedlich behandelt: Nach Informationen des Marktforschungsunternehmens Insight Health spritzt knapp die Hälfte Insulin, weitere 20 Prozent erhalten zusätzlich orale Antidiabetika. Ebenfalls jeweils knapp 20 Prozent bekommen nur Antidiabetika oder gar keine Arzneimittel.

Die beiden letzten Gruppen hat das IQWiG im Visier: Typ-2-Diabetiker, die nicht mit Insulin behandelt werden, sollen laut Zwischenbericht ihre Teststreifen nicht länger auf Kosten der Kassen erhalten. Betroffen von den geplanten Kürzungen wären also knapp 40 Prozent aller Diabetiker, deren Teststreifen bislang von den Kassen übernommen wurden. Welche Folgen eine fehlende Kontrolle für die Therapiekosten hätte, lässt sich nicht vorhersagen.

Die Streichung, so sie denn vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossen und vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) durchgewunken wird, könnte auch Konsequenzen für Hersteller und Apotheker haben - schließlich ist nicht abzusehen, ob die Betroffenen Teststreifen aus eigener Tasche bezahlen und sich dabei gegebenenfalls neue Bezugswege, zum Beispiel Sanitätshäuser, Drogeriemärkte oder Fachversender, suchen.

Laut Insight Health verkauften Roche, Bayer, die Johnson&Johnson-Tochter Lifescan und weitere Hersteller im vergangenen Jahr 1,1 Milliarde Teststreifen im GKV-Bereich und setzten so 492 Millionen Euro um, knapp 6 Prozent mehr als 2007. Die Apotheken rechneten nach Angaben von IMS Health zwischen September 2008 und August 2009 rund 924 Millionen Euro für knapp 22 Millionen Packungen zu Lasten der Krankenkassen ab.

Wie viel davon auf Diabetiker ohne Insulintherapie entfiel, ist offiziell nicht bekannt. Unklar ist daher auch, was die Kassen durch den geplanten Ausschluss einsparen könnten - zumal bereits heute zahlreiche Selektivverträge auf Landesebene bestehen. Den Dachverbänden der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen liegen nach eigenen Angaben keine entsprechenden Daten vor.

Die Hersteller geben ohnehin keine Zahlen heraus; auch die Marktforschungsinstitute halten sich im Sinne ihrer Auftraggeber bedeckt. Das Bundesgesundheitsministerium wollte sich ebenfalls nicht zu Zahlen äußern: Zwischenberichte des IQWiG kommentiere man nicht, hieß es dort auf Nachfrage. Und das IQWiG verwies auf seinen Abschlussbericht.

Einen Anhaltspunkt liefern daher nur Zahlen der Gmünder Ersatzkasse (GEK): Laut Heil- und Hilfsmittelreport könnte die Kasse jährlich 785.000 Euro - rund 8 Prozent ihrer Teststreifenkosten - einsparen. Geht man von dieser Zahl aus, hätten alle Kassen, bezogen auf die IMS-Daten, rein rechnerisch rund 71 Millionen Euro weniger ausgeben können.

Noch ist allerdings offen, ob das IQWiG in seinem Abschlussbericht überhaupt an seinen Empfehlungen festhält. In seinem Zwischenbericht hatte das IQWiG im Juni selbst auf Lücken bei der Datenlage hingewiesen: Gar nicht vorhanden seien randomisierte kontrollierte Studien, die die Relevanz der Blutzuckerselbstmessung für Morbidität und Mortalität untersuchten. „Dabei sind gerade solche Studien für die Nutzenbewertung essentiell“, räumte das IQWiG ein. Der Abschlussbericht soll am 14. Dezember veröffentlicht werden.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Praxen und Apotheken betroffen
E-Rezept: Störung bei Medisign
Podcast NUR MAL SO ZUM WISSEN
Der Panikminister im Vakuum

APOTHEKE ADHOC Debatte