Meta-Analyse zurückgezogen

ADHS: Globuli doch keine Alternative

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Berlin -

Deutsche Wissenschaftler:innen wollten in einer im Juni 2022 veröffentlichten Meta-Analyse herausgefunden haben, dass „individualisierte Homöopathie eine klinisch relevante und statistisch belastbare Wirkung bei der Behandlung von ADHS“ zeigt. Die im Fachmagazin „Pediatric Research“ veröffentlichte Studie wurde jetzt aber von den Autor:innen selbst zurückgezogen, nachdem es Kritik an handwerklichen Mängel gegeben hatte.

Bei einer Meta-Analyse werden in der Regel die Ergebnisse großer und relevanter Studien untersucht. Das daraus resultierende Fazit spiegelt somit den aktuellen Stand der Forschung wider. Im Fall der Studie „Ist Homöopathie wirksam bei ADHS?“ war das Ergebnis offenbar derart fragwürdig, dass es von den Herausgebenden selbst zurückgezogen wurde.

Aus Sicht der Forschenden waren von sechs zur Analyse herangezogenen Studien – bis auf eine – alle randomisiert und wiesen ein geringes bis mäßiges Risiko einer Verzerrung auf. Zwei wurden gegen die Standardbehandlung kontrolliert, die weiteren vier Untersuchungen waren placebokontrolliert und doppelblind. Die durchschnittliche Proband:innenzahl betrug um die 50 Teilnehmenden – im wissenschaftlichen Kontext eine eher geringe Menge. Dennoch sprachen die Autor:innen von einem „signifikanten Effekt“ ihrer Analyse und einer „statistisch belastbaren Wirkung“ der Globuli im Vergleich zu Ritalin.

Durchgeführt wurde die Analyse unter anderem von Harald Walach, der während der Covid-19-Pandemie auffällig geworden war. Fachzeitschriften hatten in der Vergangenheit bereits mehrmals Artikel des Psychologen zurückgezogen, darunter einen Artikel bei „JAMA Pediatrics“ bezüglich des Kohlendioxidgehalts in der Atemluft mit oder ohne Gesichtsmasken bei gesunden Kindern.

Kritik aus der Fachwelt

Wenige Tage nach der Veröffentlichung der Meta-Analyse setzte der kanadische Gesundheitswissenschaftler Timothy Caulfield einen kritischen Tweet auf – heute – X ab: „Homöopathie ist wissenschaftlich absurd. So sehr, dass positive klinische Studien eher eine Darstellung des Problems klinischer Studien als ein Beweis für die Wirksamkeit sind.“ Er bat in seinem Tweet den Arzt und emeritierten Professor für die Erforschung von Alternativmedizin, Edzard Ernst, um Stellungnahme.

Dieser verwies die offensichtliche Voreingenommenheit der Autor:innen bezüglich der Wirkung homöopathischer Mittel. Bereits in der Einleitung hätten sie angegeben, dass die positiven Effekte von homöopathischen Mitteln bei unterschiedlichen Erkrankungen – beispielsweise Fybromyalgie, unterstützende Behandlung bei Krebs – bereits nachgewiesen worden seien. Darüber hinaus seien zwei Studien in die Analyse eingebunden worden, bei denen die Art der Behandlung der Kontrollgruppen nicht genannt worden sei. Das Auslassen wichtiger Daten sei ein erklärtes Ausschlusskriterium für eine wissenschaftliche Veröffentlichung.

Im Juli forderte Ernst neben zwei weiteren Kollegen die Herausgeber von „Pediatric Research“ auf, ihre Entscheidung zu überprüfen oder eine vollständige Zurückziehung des Papiers in Betracht zu ziehen.

Rückzug

Wegen Bedenklichkeit haben die Autor:innen ihre Meta-Analyse nun also zurückgezogen. Anders als von ihnen angegeben, haben sich die Forschenden nicht an die Standards des Cochrane-Netzwerks gehalten. Dieses stellt – unter anderem – Handreichungen für eine gute, evidenzbasierte, wissenschaftliche Praxis zur Verfügung. Im Fall der Meta-Analyse haben die Forschenden die Handreichung bezüglich der Erhebung möglicher Verzerrungen (Bias) in den von ihnen ausgewerteten Studien unbeachtet gelassen. Auch sei eine der genannten Studien falsch interpretiert worden: Anders als von den Autor:innen behauptet, wurde kein Nachweis für eine Wirkung von homöopathischen Präparaten bei ADHS gefunden.

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