Ärzte weg, Läden zu, keine Kunden mehr

Investor lässt Center verfallen – Traditionsapotheke muss schließen

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Berlin -

Nicht nur Immobilien in attraktiven Großstadtlagen sind in den vergangenen Jahren immer mehr zu Spekulationsobjekten verkommen. Auch Einkaufscenter werden häufig von Investoren übernommen, denen Kenntnis der lokalen Verhältnisse reichlich egal ist – ist eine Investition abgeschrieben, wird sie buchstäblich abgeschrieben. Das musste Apothekeninhaber Tobias Petri in den vergangenen Jahren am eigenen Leib erleben: Seine Glückauf-Apotheke, ein Familienbetrieb seit 1975, lag im gleichnamigen Center – bis zum 1. Mai.

Einst war es eine Premiumlage. Die Glückauf-Apotheke hatte im Glückauf-Center alles, was sie braucht: Geschäfte mit entsprechender Laufkundschaft, einen großen, dreistöckigen Supermarkt und sieben Arztpraxen. Aber das ist schon eine Weile her. „Das Center wurde vor 25 Jahren eröffnet“, sagt Petri. „Das wurde noch von Loki Schmidt eingeweiht.“ Seitdem hat sich viel verändert, nicht nur Loki Schmidt ist längst von uns gegangen, auch viele Geschäfte und die meisten Arztpraxen haben das Weite gesucht. Denn mit dem Center ging es in den vergangenen Jahren stetig bergab.

„Die letzten Jahre wurde hier nichts mehr investiert, entsprechend sieht es hier auch nicht mehr so schön aus“, beklagt Petri. „Das Center hat die letzten Jahre einer Holding in London gehört. Die wissen wahrscheinlich nicht mal, wo Gladbeck auf der Karte ist. Und die Immobilie ist auch längst abgeschrieben.“ Vier der sieben Ärzte sind bereits gegangen – allesamt die wichtigsten Verordner der Apotheke: ein Neurologe, ein Gynäkologe, ein Haus- und ein Kinderarzt. Nur ein Augenarzt, ein Orthopäde und ein Zahnarzt sind geblieben. „Die sind aber für uns nicht lukrativ. Das reicht nicht, um zu überleben.“

Und dann schloss auch noch das dreistöckige Kaufland im Center, wodurch ein Großteil der Laufkundschaft wegfiel. Die Folge: „Wir haben deutlich über 50 Prozent unseres Umsatzes verloren.“ Für eine Filialapotheke brauche man allerdings eine bestimmte Größe – er nennt mindestens zwei Millionen Euro Umsatz – damit sie sich lohnt. „Es war die letzten Monate ein Zuschussgeschäft. Das war der letzte Punkt, der die Entscheidung herbeiführte.“

Glücklicherweise kam diese Erkenntnis aber nicht über Nacht, sondern hat sich über Jahre angebahnt – und Petri ermöglicht, die richtige Entscheidung zu treffen. 2016 hat er in einem nahegelegenen Ärztehaus die Butendorfer Apotheke eröffnet und sie direkt zu seiner Hauptapotheke gemacht. „Da stand schon fest, dass zwei Arztpraxen vom Glückauf-Center in das neue Ärztehaus gehen, wo es auch große Hautarztpraxis gibt“, erklärt Petri. „Da war von Anfang an klar, dass das ein Projekt ist, das Zukunft hat – was man hier nicht behaupten konnte. Es war ja schon absehbar, in welche Richtung die Entwicklung geht.“ Die Apotheke laufe seit der Eröffnung gut, konstatiert er. Und sie sorgt auch dafür, dass die Mitarbeiter der Glückauf-Apotheke weich fallen: „Ich wollte niemanden vor die Tür setzen und kann jetzt zum Glück alle mit in die andere Apotheke nehmen, bis auf eine Mitarbeiterin, die ohnehin in den Ruhestand geht.“ Nur zwei Praktikanten konnte er nicht mitnehmen.

Ein einfacher Schritt ist es trotzdem nicht, mit der Apotheke stirbt nämlich ein traditionsreicher Betrieb: Gegründet wurde sie 1907 und ist seitdem zweimal in einem Umkreis von nur wenigen hundert Metern umgezogen. 1975 hat sie Vater Ulrich Petri übernommen – und steht bis heute in Teilzeit mit in der Offizin. „Für meinen Vater hat das auch nochmal eine andere emotionale Komponente als für mich“, sagt Petri.

Entsprechend denken die beiden über die anonyme Investmentfirma, die das Center in den Sand gesetzt hat. „Wir sind auch wütend auf die Inhaberfirma. Jahrelang haben wir an den Verwalter geschrieben, aber der hat jedes Mal gesagt, dass ihm die Hände gebunden. Er kriege ja auch nur ein Budget, mit dem er arbeiten muss“, erklärt er. „Man kommt an die Entscheider gar nicht heran, das ist wirklich frustrierend.“ Immerhin gibt es für das Center mittlerweile einen Lichtblick: Anfang des Jahres sei es nämlich an eine Berliner Firma verkauft worden. „Die ist dafür bekannt, Sachen aufzukaufen und zu modernisieren. Bald soll hier ein Rewe reinkommen, aber neue Ärzte sind nicht geplant.“ Eine ausreichende Perspektive hätte auch der Rewe nicht geboten und so kann Petri nur einen Schlussstrich unter den Betrieb ziehen. „Ich konnte vor drei Jahren meinen Mietvertrag verlängern“, erinnert er sich. „Rückblickend hätte ich auch damals schon zu machen können.“

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