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„Alle wegsperren!“

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Berlin -

Freitagabend, Tennisplatz, Altherrendoppel: Ein Apotheker, zwei Ärzte und ein Richter. Früher war ein Großhandelsvertreter mit von der Partie, aber seitdem der mit einer Amerikanerin verheiratet ist, geht er lieber Golf spielen. „Vorteil Rück'!“, ruft der Richter. Der Apotheker lässt seinen Schläger fallen und stürmt vom Tennisplatz. Die Ärzte sehen sich verdutzt an, der Richter nickt wissend – er kennt den Entwurf zum Anti-Korruptionsgesetz.

Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) 2012 feststellen musste, dass korrupte Ärzte nach dem Gesetz nicht korrupt sind, wird nun endlich der Gesetzgeber aktiv. Ein eigener Korruptionsparagraph für das Gesundheitswesen soll ins Strafgesetzbuch. Natürlich sind dann auch korrupte Apotheker dran, wenn sie sich illegal einen Vorteil verschaffen. Seitdem wird über mögliche Folgen diskutiert, auch weil es im Entwurf etwas vage Hinweis zur Ahndung von Verstößen gegen das Preisrecht gibt. Die ABDA wünscht sich eine Klarstellung – rechnet aber ohnehin mit Prozessen.

Ein Verfahren gibt es schon als Vorspiel: Der Skonto-Streit liegt jetzt beim Landgericht Aschaffenburg. Die Wettbewerbszentrale sagt, dass Skonti Rabatte sind, AEP sagt, dass Skonti Skonti sind. Da sich AEP bei Paul Kirchhof einen Bierdeckel besorgt hat und vereinfachend die Summe aus Rabatt und Skonto bewirbt, wird jetzt über das Preisrecht gestritten.

Und was hat das mit Korruption zu tun? Nichts. Vor allem rein gar nichts, solange das Gesetz als Entwurf auf dem Schreibtisch von Justizminister Heiko Maas (SPD) liegt. Daher das Vorspiel zum Vorspiel: Phagro-Chef Dr. Thomas Trümper darf laut Gerichtsbeschluss wegen AEP keine Apotheker mehr erschrecken. Es ist sowieso erstaunlich, dass sich die Phagro-Großhändler auf diese Skonto-Debatte einlassen, statt über Service zu sprechen – zumal sie doch nicht einmal hinter der Klage der Wettbewerbszentrale stecken wollen.

„Kein Apotheker muss wegen Skonto ins Gefängnis“, versichert auch Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas. Schon die Begründung im Gesetzesentwurf gebe das eindeutig nicht her. „Dort heißt es, dass es in Sachen Einkauf an einer Unrechtsvereinbarung fehlt“, so Douglas. Nicht verwechseln: Rabattausschluss und Handelsspannenausgleich fallen unter Ungerechtigkeitsvereinbarung.

Und was wird strafbar? Jede geklüngelte Zuweisung von Patienten zum Beispiel, jeder halblaute Deal über den Zufluss von Rezepten. Von dem bisherigen Entwurf nicht erfasst sei das kostenlose Verblistern für Pflegeheime, moniert Douglas. Es wird kompliziert: Mietkostenzuschüsse für die Arztpraxis seien nicht per se kriminell – solange jedenfalls keine Gegenleistung vereinbart sei.

Wer übrigens noch Geld benötigt, um die Praxis in der Nachbarschaft legal zu subventionieren, kann sich dies auch „von privat“ besorgen: Die Plattform Lendico vermittelt Verbraucherkredite, rund ein Dutzend Apotheker soll die eigene Hausbank so schon umgangen haben. Folgende Konstellation: Der Arzt leiht einem Apotheker über Lendico ohne Kenntnis des Gegenübers das Geld, das dieser zur Finanzierung dessen Praxis verwendet. Hinter der Idee steckt der Samwer-Clan, der dabei natürlich mitverdienen möchte.

Anders Geld besorgen wollte sich die Brücken-Apotheke. Doch die Abmahnwelle schwappte als Strafanzeigen zurück, nicht wegen Korruption, sondern wegen versuchten Betrugs und Erpressung. Die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt noch gegen den Apotheker und seinen Anwalt. Und ermittelt noch. Und ermittelt noch.

Abgeschlossen sind daher die großen Verfahren zur Betriebsprüfung. Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger hat sich nicht nur Freunde gemacht, als er für die Apotheker gegen den Fiskus zu Felde zog. In den Finanzämtern der Republik sowieso nicht, aber auch nicht in allen anderen Steuerkanzleien der Apotheker. Die Geister scheiden sich an diesem unruhigen Geist: Die einen sehen einen Provokateur und Selbstdarsteller, die anderen einen fachlich versierten Kämpfer für die Rechte des Steuerzahlers.

Für Bellinger hing deshalb viel von den drei Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) ab. Im Dezember verlor er die Prozesse, jetzt endlich legten die Münchener Richter ihre Begründung vor. Die Kurzform: Jeder Cent im Einzelhandel muss aufgezeichnet werden, und weil die Apothekenkassen das können, ist es auch zumutbar. Wenig plausibel, findet Bellinger, und er wäre nicht Bellinger, wenn er das so hinnehmen würde. Er will noch ein Verfahren.Detail

Die Grünen im Bundestag wollen dagegen Apotheker wegen Steuersachen in den Knast bringen. Sie erkundigen sich in einer kleinen Anfrage bei der Regierung über das Thema Steuerhinterziehung und die Verwendung von Manipulationssoftware und vergessen nicht, die Apotheken zu erwähnen. Ist so eine grüne Angewohnheit.

Nie zur Gewohnheit wurde dagegen das Bestellen von Arzneimitteln im Drogeriemarkt. Bei dm hat man sich deshalb dazu entschieden, die Pick-up-Terminals der Versandapotheke „Zur Rose“ abzubauen. Die Zahlen der Drogeriekette stimmen auch so.

Eine Versandapotheke in der Hinterhand hat weiterhin Lidl.de, und vertreibt dort auch fröhlich Apothekenexklusives. Noch exklusiver wird nur Freestyle Libre angeboten. Das Blutzucker-Messsystem gibt es auf Wunsch des Herstellers Abbott nicht in Apotheken – dafür bei Ebay für 250 Euro. Auf dem Marktplatz können Hinz und Kunz sowieso gefahrlos verschreibungspflichtige Arzneimittel verkaufen. Für einen Apotheker wäre das – man ahnt es – strafbar.

Vielleicht entsteht in Online-Auktionshäusern demnächst auch ein schwunghafter Handel mit der „Pille danach“. Nach EllaOne (Ulipristal) kommen jetzt die ersten apothekenpflichtigen Notfallkontrazeptiva mit Levonorgestrel in die Apotheken. Der Markt wird noch eine ganze Weile dynamisch weiter wachsen. Aus diesem Bereich die Meldung in dieser Woche, dass die Anti-Baby-Pille das Gehirn der Nutzerinnen verändern kann.

Die Ebay-Powershopper seien aber noch gewarnt vor dem Handel mit Ramipril, Ibuprofen und Metamizol. Die drei Wirkstoffe sind die Topseller unter den Rabattarzneimitteln – die Margen dürften selbst bei „Sofortkauf“ entsprechend schwach sein. Mit der anderen Produktseite – dem OTC-Geschäft – befasst sich künftig Stephan Börner. Er übernimmt den Bereich bei Merck als Vertriebsleiter auf globaler Konzernebene.

Eine Beruhigung zum Schluss: Entgegen anders lautender Behauptungen muss nicht ins Gefängnis, wer seine Waagen in der Apotheke nicht eicht (aber es wird teurer).

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