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Der ganz normale Wahnsinn

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Berlin -

Das neue Jahr ist einen Monat alt, und für die Apotheker hat der ganz normale Wahnsinn begonnen. Ob Politiker, Kassenfunktionäre oder Richter: Auch 2014 bestimmen Andere, wie der Alltag in den Apotheken aussehen soll. Auf lange Sicht soll ein Leitbild den Berufsstand wieder nach vorne bringen. Doch vielen Kollegen ist die Debatte zu theoretisch.

Die Große Koalition nimmt gesundheitspolitisch Fahrt auf. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist zwar erklärter Neuling auf dem Gebiet, doch er drückt aufs Tempo: Noch in diesem Jahr sollen die GKV-Finanzierung und der Pflegebegriff reformiert werden. Seine Agenda ist allerdings in weiten Teilen gesetzt: Wie es mit Herstellerrabatt und Preismoratorium weitergehen soll, hatten die Gesundheitsexperten schon entschieden, da gab es noch gar keinen Minister.

Am Dienstag trafen sich die Experten der Fraktionen erstmals im BMG zur regulären Koordinierungsrunde. Seitdem ist klar, dass im Arzneimittelbereich wieder ein Paket geschnürt wird. Das wird auch die Apotheker betreffen: Denn ihre Marge soll künftig – genauso wie die Zuzahlung – auf Basis des niedrigeren Erstattungspreises berechnet werden.

Zwar wird es für Medikamente, die vor 2011 eingeführt wurden, keine Nutzenbewertung mehr geben; die Einbußen werden sich also in Grenzen halten. Doch fest steht auch: Die neuen Arzneimittel von heute sind der Bestandsmarkt von morgen.

Die Kassen fürchten indes, dass der Preissalat von Bahr & Rösler noch mehr Würze bekommen könnte. Denn wenn Arzneimittel in neuen Indikationen zugelassen und damit mehrfach nutzenbewertet werden, droht aus ihrer Sicht das endgültige Preischaos.

Weit weniger turbulent könnte es bei der Leitbilddebatte zugehen. Seit Samstag können die Apotheker online diskutieren, allerdings nur mit Kollegen aus ihrem Kammerbezirk. Die Ergebnisse sollen dann in den jeweiligen Geschäftsstellen ausgewertet und als Konsens zum Konvent mitgebracht werden. In Berlin zeichnet sich allerdings exemplarisch ab, dass sich nicht einmal jeder zehnte Kollege für die Debatte interessiert.

Für geringe Resonanz sorgen auch die Klagen der Apotheker über Lieferengpässe. Das BMG sieht kein Problem, das BfArM veröffentlicht brav die sporadischen Meldungen der Hersteller, BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer schätzt die Situation dagegen als nicht allzu dramatisch ein. Dem stellvertretenden Vorsitzenden des Hessischen Apothekerverbands (HAV) reicht das nicht: Dr. Hans Rudolf Diefenbach ruft seine Kollegen auf, ihm jeden Ausfall möglichst genau zu melden.

Ein anderes Thema, das die Apotheker in Hessen bewegt, ist die Zytoausschreibung der AOK. Obwohl die Kasse versichert, nicht an der freien Apothekenwahl zu rütteln, wurden jetzt Apotheken ohne Vertrag hohe Retaxationen angekündigt. Auch das Regierungspräsidium Darmstadt staunt.

In Sachsen-Anhalt ist die AOK derweil dazu übergegangen, Apotheker bei Ärzten anzuschwärzen: Weil die Kasse vergessen hat, Reimporte in ihre Preisliste aufzunehmen, sollen die Ärzte doch bitte das Aut-idem-Kreuz im Sinne der AOK setzen. Aktueller Hinweis dazu: Das hilft nur, wenn Hersteller und PZN angegeben werden.

Apropos aut idem: Obwohl Jens Spahn (CDU) den Kompromiss zur Substitutionsausschlussliste gut findet, könnte es doch noch eine gesetzliche Regelung geben: Die Fraktionen von Union und SPD haben einen Änderungsantrag vorgelegt, nach dem mit der Erstellung der Liste – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beauftragt werden soll.

Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 99,84 Prozent der Menschen in Deutschland nur 15 Minuten mit dem Auto zu nächsten Apotheke brauchen; zu Fuß sind es immerhin 59 Prozent. Trotzdem fordert NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) von den Apothekern Vorschläge für eine bessere Notdienstversorgung – als Alternative zum Dispensierrecht, das sie vor zwei Jahren selbst ins Gespräch gebracht hat. Das Spiel der Politik mit den Apothekern, so scheint es, geht auch ohne FDP weiter.

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