Nuklear-Vorsorge

190 Millionen Jodtabletten für 8,4 Millionen Euro

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Berlin -

Für gut 4 Cent pro Tablette hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Auftrag des Bundesumweltminis­teriums 189,5 Millionen Jodtabletten in Blistern à vier Tabletten für Bund und Länder neu bestellt. Damit soll in einem radiologischen oder nuklearen Notfall ein noch besseren Schutz der Bevölkerung durch eine weiträumigere Verteilung von Jodtabletten gewährleistet werden, so das BfS.

Für die Beschaffung der 189,5 Millionen Jodtabletten bezahlt der Auftraggeber nach Angaben des BfS exakt 8.385.375,00 Euro netto. Bestellt wurden die Jodtabletten beim österreichischen Pharmakonzern Gerot Lannach in der Steiermark. Dort habe man sich angesichts des Auftrags verwundert die Augen gerieben, meldete der österreichische Fernsehsender ORF: 50 Millionen Packungen Jodtabletten sei der größte Einzelauftrag in der Geschichte des Unternehmens. Die Kosten für die Beschaffung der Jodtabletten werden vom Bund getragen.

Hintergrund der Aufstockung seien erweiterte Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken, die nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima aufgrund einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission (SSK) angepasst worden seien. Zudem müssten genügend Jodtabletten verfügbar sein, um auch Mehrfacheinnahmen zu ermöglichen, sollte dies erforderlich sein.

Bei einem nuklearen Unfall könne radioaktives Jod freigesetzt werden. Um zu verhindern, dass es sich in der Schilddrüse anreichert, sollte zum richtigen Zeitpunkt nicht-radioaktives Jod in Form einer hochdosierten Tablette aufgenommen werden (sogenannte Jodblockade), so das BfS. Jodtabletten sollten nur nach ausdrücklicher Aufforderung durch die Katastrophenschutzbehörden eingenommen werden - und nur in der von den Behörden genannten Dosis.

Bund und Länder halten derzeit gemeinsam rund 137 Millionen Jodtabletten zur Verteilung im Notfall vor. Diese werden durch die neu bestellten Jodtabletten ersetzt. Bislang war die Verteilung von Jodtabletten für die Bevölkerung bis zu einem Alter von 45 Jahren, die weniger als 20 Kilometer von einem Kernkraftwerk entfernt lebt, sowie für alle Kinder, Jugendliche unter 18 Jahren und Schwangere im Umkreis von 100 Kilometern vorgesehen. Für Personen über 45 Jahren rät die SSK aus medizinischen Gründen von der Einnahme von hochdosierten Jodtabletten ab.

Infolge des Reaktorunglücks im japanischen Fukushima hat die SSK als Beratungsgremium des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit die fachlichen Grundlagen für den radiologischen Notfallschutz in Deutschland und das dazugehörige Regelwerk einer Überprüfung unterzogen und ihre Erkenntnisse unter anderem in der Empfehlung „Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken“ veröffentlicht. Diese Überprüfung ergab, dass eine vorsorgliche Erweiterung der Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken notwendig ist, um auch auf schwerste Notfälle adäquat reagieren zu können. Entsprechend wurden die Radien für die Verteilung von Jodtabletten auf 100 Kilometer für die gesamte Bevölkerung unter 45 Jahren sowie auf das ganze Bundesgebiet für Kinder, Jugendliche unter 18 Jahren und Schwangere ausgedehnt.

Da laut den im Oktober 2017 in Kraft getretenen Notfallschutzbestimmungen des Strahlenschutzgesetzes der Bund erstmals für die Beschaffung von Jodtabletten zuständig ist, werden diese zentral im Auftrag des Bundesumweltministeriums vom BfS beschafft und an die Länder übergeben. Die Tabletten werden an von den Bundesländern zu benennende Orte geliefert und in dafür vorgesehenen Verteilzentren dezentral gelagert. Für die Lagerung und die Organisation der Verteilung der Tabletten sind die jeweiligen Bundesländer verantwortlich. „Ob Apotheken an der Ausgabe von Jodtabletten in einem Ereignisfall beteiligt werden, legen jeweils die in den Ländern für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden fest“, so das BfS. Die Anzahl der beauftragten Tabletten beruht auf durch die Länder gemeldeten Bevölkerungszahlen in den oben genannten Planungsgebieten beziehungsweise – für Kinder, Jugendliche bis 18 Jahre und Schwangere – in ganz Deutschland. Für die Versorgung von Pendlern, Touristen und ähnlichen Personenkreisen wurde die Beschaffungsmenge entsprechend erhöht.

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