Apotheker und Berater im Visier der Justiz

Razzia wegen Infusionbeuteln: Bestechung oder „Räuberpistole“?

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Berlin -

Bestechung, Bandenbetrug und Untreue: Die Vorwürfe, mit der die Staatsanwaltschaft Bielefeld im Frühjahr eine Razzia bei drei prominenten Branchenvertretern durchführte, wogen schwer. Ein Apotheker, ein Ernährungsberater und ein Steuerrechtler sollen gemeinsame Sache gemacht haben, um Ärzte zur Verordnung bestimmter Infusionsbeutel zu veranlassen. Auch zwei namhafte Hersteller tauchen in den Akten auf. Doch mittlerweile haben sich viele Beweise in Luft aufgelöst. Die Beschuldigten sprechen schon von einem Justizskandal.

Am 28. März rückten die Ermittler an. Das Amtsgericht Bielefeld hatte die Durchsuchung verschiedener Wohn- und Geschäftsräume angeordnet, weil nach Aktenlage bei der Verordnung von bestimmten Infusionsbeuteln zur parenteralen Ernährung nicht alles mit rechten Dingen zugegangen zu sein schien.

Im Zentrum der Ermittlungen:

  • Uwe-Bernd Rose, Inhaber der Burg-Apotheke in Königstein am Taunus sowie Erfinder der aus mehreren Kammern bestehenden Infusionsbeutel Eurotubes und früherer Inhaber des Herstellbetriebs Eurozyto
  • Professor Dr. Markus Masin, Experte für klinische Ernährung und Diabetologie sowie Inhaber der Beratungsfirma LMAC med-consult mit Sitz in Münster, außerdem Vorstand der gemeinnützigen Stifungen DSKM (Deutsche Stiftung Krankheitsbedingte Mangelernährung) und ehemaliger Geschäftsführer mehrerer MVZ

Der Vorwurf, wie er aus dem Durchsuchungsbeschluss hervorgeht: Als ernährungswissenschaftlicher Berater soll Masin insgesamt 214 Ärzte gegen Geldzahlung dazu veranlasst haben, Infusionslösungen zur parenteralen Ernährung der Marke Eurotube des Unternehmens Eurozyto über die Burg-Apotheke zu beziehen. Sitz der Arztpraxis oder Wohnort der Patientinnen und Patienten sollen dabei keine Rolle gespielt haben.

Zahlungen an Stiftung

Als Gegenleistung soll er direkt oder indirekt mehr als 2 Millionen Euro angenommen haben. So sollen rund 500.000 Euro von Eurozyto an LMAC gezahlt worden sein. Weitere Gelder wurden demnach als Spende durch Rose an die DSKM überwiesen. Von der Firma, aber auch von der Stiftung aus seien dann regelmäßig Gelder auf die Konten von Masin sowie eines weiteren Mitbeschuldigten geflossen.

Motiv sei demnach gewesen, Verordnungen über die hochpreisigen Infusionsbeutel zu generieren: Während handelsübliche Ein-, Zwei- oder Dreikammerbeutel zwischen 5 und 17 Euro kosteten, würden für die Eurotube-Beutel zwischen 67 und 72,50 Euro abgerechnet, so die Staatsanwaltschaft. Ein zusätzlicher therapeutischer Nutzen sei aber nicht nachgewiesen, sodass die Verordnung zu Lasten der Kassen einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot darstelle. Alleine gegenüber den AOKen seien knapp 9,4 Millionen Euro zu Unrecht abgerechnet worden, weitere 1,4 Millionen Euro zu Lasten der TK.

Noch sind die sichergestellten Unterlagen nicht ausgewertet, weil die Staatsanwaltschaft an der Kapazitätsgrenze ist und vorrangig Kapitalverbrechen bearbeiten muss. „Die Auswertungen der sichergestellten oder sonst beigezogenen umfangreichen Unterlagen dauern an. Mit einem zeitnahen Ermittlungsabschluss ist nicht zu rechnen“, so ein Sprecher.

Name verwechselt

Schon jetzt haben sich aber einige der Beweise in Luft aufgelöst: So soll es die Überweisung des Apothekers gar nicht gegeben haben, wie der Sprecher bestätigt: „Hinsichtlich des Herrn R. hat es tatsächlich eine Verwechslung mit einem anderen Spender gegeben.“ Gegen weitere Mitarbeiter der Apotheke oder gegen Hermann Rohlfs als neuen Inhaber von Eurozyto werde nicht ermittelt, da „insoweit keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten vorliegen“.

Weiterhin im Raum steht der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs: „Bislang wird hinsichtlich der bekannt gewordenen Fälle von einem strafrechtlich relevanten täuschungsbedingten Verschreibungsvolumen von circa 10 Millionen Euro ausgegangen“, so der Sprecher weiter. Den Beschuldigten seien die Tatvorwürfe bekannt. „Sie haben sich bisher nicht eingelassen.“

Rose selbst bestätigt auf Nachfrage, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren führe. „Ich weise in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass für mich die Unschuldsvermutung gilt.“ Er merkt auch an, dass die Staatsanwaltschaft in einer Stellungnahme gegenüber dem Landgericht Bielefeld selbst eingeräumt habe, dass die ursprünglich angenommene Bestechungszahlung seinerseits an Masin „nicht existent ist und es sich daher um einen vermeidbaren Ermittlungsfehler gehandelt hat“. Auch gegen die Durchsuchungsbeschlüsse sei umgehend Beschwerde eingelegt worden, da diese „aus hiesiger Sicht rechtswidrig ergangen sind“.

Vorteile ausgeblendet

Zu keiner Zeit habe er Einfluss auf das Verordnungsverhalten der Ärztinnen und Ärzte genommen, die er namentlich noch nicht einmal kenne. Vor allem aber ärgert er sich darüber, dass die Ermittler den Wert seiner Beutel für die Versorgung der Patientinnen und Patienten einfach nicht anerkennen wollen: Diese führten nämlich aufgrund seltenerer Manipulationen zu einem deutlich geringeren Kontaminations- und damit Infektionsrisiko. Außerdem seien sie – obwohl für sich teurer – für die Versorgung günstiger als der Einsatz verschiedener Beutel. In einem früheren Stadium habe die Staatsanwaltschaft selbst die Auffassung vertreten, dass erst per Gutachten widerlegt werden müsse, dass die patentierten Beutel einen Vorteil haben. Dies sei aber nie passiert.

Nicht umsonst habe Eurozyto für seine Erfindung einen Preis als „Hessen-Champion“ gewonnen – über kurz oder lang werde sich das Konzept auch durchsetzen. „Die Staatsanwaltschaft agiert hier, vornehmlich getrieben von den die Ermittlungen unterstützenden Krankenkassen und deren ‚Experten‘, mit einer ‚Milchmädchenrechnung‘.“ Die Verordnung einzelner Beutel koste pro Woche bis zu 500 Euro mehr.

„Vorwürfe sind grotesk“

Ähnlich überzeugt, dass die Vorwürfe komplett in sich zusammenfallen, zeigt sich Masin. Die Tatvorwürfe seien aus rechtlicher und sachlicher Beurteilung „grotesk“, so sein Anwalt. „Mein Mandant hat sich zu jeder Zeit rechtskonform verhalten; die darauf bezogenen Nachweise liegen der Staatsanwaltschaft Bielefeld bereits vor.“ Er kritisiert das Verfahren, das geprägt sei von „peinlichen Personenverwechslungen, Auslassungen und aus der Luft gegriffenen Behauptungen“.

Tragende Rolle spiele eine Rechtsanwaltskanzlei aus Münster; die Staatsanwaltschaft mache sich zu einem Vehikel einer „verwirrten sowie bösartigen Räuberpistole“.

Ärger mit Rockergang

Allerdings schildert ein aktueller Artikel im „Spiegel“ weitere bizarre Details. Dabei geht es um einen fast zehn Jahre alten Streit mit einer Rockerbande, wegen dem die Staatsanwaltschaft Duisburg demnach Masins Telefonat abgehört haben soll. In der Folge sollen auch Zahlungen der Homecare-Gruppe GHD sowie des Pharmakonzerns Baxter an Masin, seine Familie und seine Stiftung ans Tageslicht gekommen sein.

Gegen GHD und Baxter wird im aktuellen Verfahren nicht ermittelt. „Es liegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung vor. Insbesondere liegen keine Angaben der Anzeigenerstatter dazu vor, welche speziellen Arzneimittel in tatrelevanter Weise verordnet worden sein sollen“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

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