Der Skandal um den Vertrieb von Verfallware aus dem Hause Sanofi-Aventis zieht immer weitere Kreise. Wie der Spiegel berichtete, hatte Sanofi jahrelang verfallbedrohte Produkte mit Rabatt über den Zwischenhändler „Multi Trade International“ (MTI) in den deutschen Markt gebracht, die angeblich als Hilfslieferung für Nord Korea gedacht gewesen war. Auch der Kölner OTC-Hersteller Klosterfrau war offenbar an den Geschäften beteiligt.
Laut der vertraglich vereinbarten Zweckbindung hätte MTI die von Sanofi gelieferten Produkte an den Verein „Viva Westfalen hilft e.V.“übergeben sollen, der die Ware angeblich als Hilfsgüter nach Nord Korea lieferte. Doch bei Sanofi kontrollierte niemand, welchen Weg die Verfallware tatsächlich nahm. Stattdessen soll der Konzern Wunschlisten des Pharmagroßhändlers Gehe direkt mit dem Einkaufschef der Hilfsorganisation, einem ehemaliger Pharmamanager mit dem Namen Wolfgang Tietze, abgestimmt und dafür eine Provision von 1 Prozent des Umsatzes gezahlt haben. MTI lieferte dann die Ware an den Großhändler.
Die Staatsanwaltschaft Verden ermittelt gegen den Pharmakonzern und den Einkaufsmanager des Vereins wegen des Verdachts auf Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr.
Allerdings soll MTI nicht nur mit Sanofi einen entsprechenden Rahmenvertrag gehabt haben: Auch mit der Firma Klosterfrau soll eine entsprechende Vereinbarung bestanden haben. Was über das Kölner Traditionsunternehmen geliefert wurde, ist bislang nicht bekannt: „Über die genauen Lieferwege bestehen derzeit noch keine ausreichenden Kenntnisse“, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Klosterfrau-Chef Friedrich Neukirch erklärte auf Nachfrage, sein Unternehmen sei als reiner Logistikpartner aufgetreten: „Wir haben ausschließlich Aufträge für andere Firmen abgewickelt.“ Bereits im Herbst vergangenen Jahres sei man auf Unregelmäßigkeiten durch Andere hingewiesen worden und habe die Zusammenarbeit eingestellt. Man sei darüber hinaus nicht einbezogen oder geschädigt worden.
Dass Klosterfrau einige Vertriebsaufgaben abseits des regulären Geschäfts für Sanofi übernommen hat, ist einigermaßen plausibel: Die beiden Unternehmen arbeiten seit langem eng zusammen; wie vielleicht keine andere Firma hatte der OTC-Hersteller von der wechselvollen Entstehungsgeschichte des Pharmakonzerns profitiert: Das 1979 gegründete Gemeinschaftsunternehmen Cassella-med ging 1998 samt seiner Marken an die Kölner Firmengruppe; außerdem vertreibt Klosterfrau seit einigen Jahren eine Handvoll OTC-Produkte für Sanofi beziehungsweise die Konzerntochter Nattermann.
Ausgedacht haben soll sich das Konstrukt laut Spiegel-Bericht im Jahr 2004 der damalige Cheflobbyist des Pharmakonzerns, Erich Dambacher. Seit 2007 nicht mehr bei Sanofi, soll Dambacher bei der Umsetzung der Verträge mit Klosterfrau als Vermittler aufgetreten sein - und dabei sogar 1,5 Prozent an Tietze gezahlt haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben gegen Verantwortliche der Firma Floki, ebenfalls wegen Bestechungsverdachts.
Dambacher hatte Floki vor sieben Jahren zusammen mit seinen Söhnen gegründet, unter anderem um Medikamente an Hilfsorganisationen zu vermitteln. Auf Nachfrage bestätigte der Pharmaexperte, dass in seinem Haus Durchsuchungen stattgefunden haben. Zu den Vorwürfen wollte er sich nicht äußern.
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