Graumarktgeschäfte

Ermittler suchen bei Sanofi

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In Deutschland haben Pharmakonzerne, allen voran Sanofi-Aventis, möglicherweise jahrelang Arzneimittel mit kurzer Laufzeit mit Spezialrabatten auf den Markt gebracht, obwohl dies nach geltender Rechtslage verboten ist. Wie der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, hatte Sanofi seine eigene Verfallware und die anderer Hersteller an einen Zwischenhändler verkauft. Dieser sollte zwar laut Vertrag an eine Hilfsorganisation liefern, die wiederum die Produkte angeblich nach Nordkorea schickte. Tatsächlich gelangte die Ware aber laut Bericht auf den deutschen Markt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bestechungsverdachts.

Sanofi soll laut Spiegel-Artikel die Ware an den Zwischenhändler „Multi Trade International“ (MTI) geliefert haben - mit einer vertraglichen Zweckbindung, dass die Produkte an den Verein „Viva Westfalen hilft e.V.“ gehen. Tatsächlich verkaufte MTI aber offenbar an deutsche Pharmagroßhändler, in der Regel laut Spiegel die Celesio-Tochter Gehe. Von dort aus gingen die Produkte - darunter Aprovel, Dermatop und Lantus - ganz normal an die Apotheken.

Spot-Geschäfte unter Zwischenhändlern sind nicht verboten. Aus arzneimittelrechtlicher Sicht geht es daher allenfalls um die Frage, ob Sanofi Produkte zu einem anderen als dem normalen Herstellerpreis in den Markt gebracht hat und ob der Konzern die Einhaltung der Zweckbindung aus den Verträgen mit MTI hätte kontrollieren müssen, etwa durch Vorlage von Exportgenehmigungen oder schlichte Plausibilitätsprüfungen.

Doch offenbar hat Sanofi seit Zustandekommen der Geschäftsbeziehung im Jahr 2002 keinen einzigen Nachweis verlangt, wohin die Ware gegangen ist. Auch Schutzvorkehrungen gegen eine Verwendung in Deutschland gab es nicht. Im Rahmenvertrag mit MTI aus dem April 2004 heißt es vielmehr: „Bei den von Aventis an MTI zu liefernden Arzneimitteln handelt es sich um in der Bundesrepublik Deutschland verkehrsfähige Handelsware.“

„Das Märchen von den Hilfslieferungen war eine Legende - niemand in Nordkorea benötigt Fußpilzsalbe und Antidepressiva mit deutschen Beipackzetteln“, argumentiert der Anwalt von MTI-Chef Carl-Heinz Richter, Dr. Oliver Pragal. Sanofi versichert dagegen, Patienten in Nord Korea helfen gewollt zu haben und selbst betrogen worden zu sein. Als Zweifel an der Einhaltung der Zweckbindung aufgekommen seien, habe man im Juli 2010 Strafanzeige wegen Betrugs gestellt und die Geschäftsbeziehungen abgebrochen.


Seitdem fliegen unter den ehemaligen Partnern die Fetzen: Als die Staatsanwaltschaft Stade in der vergangenen Woche die Strafanzeige des Pharmakonzerns gegen MTI formal einstellte, stellte prompt der Pharmahändler seinerseits Strafanzeige gegen Sanofi. Die Firma wirft dem Konzern vor, den Einkaufschef des Hilfsvereins, Wolfgang Tietze, bestochen zu haben: Tietze soll Wunschlisten, die Gehe an MTI geschickt hatte, direkt mit Sanofi abgestimmt haben und dafür eine Provision von 1 Prozent des Umsatzes erhalten haben.

Insofern sieht sich MTI als Zwischenglied, das Sanofi bewusst genutzt habe, „um unter der Legende der Belieferung von 'Viva e.V.' z.B. beinahe abgelaufene Medikamente ('Ramschware') in den deutschen Markt 'drücken' zu können, ohne hiermit unmittelbar in Verbindung gebracht werden zu können“. „Durch diesen 'camouflierten Sekundärmarkt' vermied Sanofi-Aventis einen 'Preisrutsch' bei den bekanntlich in Deutschland besonders hohen Medikamentenpreisen auf dem 'Primärmarkt' und sparte eine teure Abschreibung und Entsorgung der 'Ramschware'“, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens

Am Donnerstag wurden 17 Objekte in mehreren Bundesländern durchsucht, darunter die Sanofi-Zentralen in Frankfurt und Berlin, aber auch Wohnungen. Das sichergestellte Material sei noch nicht ausgewertet worden, die Beschuldigten hätten sich auch noch nicht zu den Vorwürfen geäußert, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Verden. Der Sprecher bestätigte aber, dass Sanofi etwa 750.000 Euro an Tietze gezahlt haben soll. „Wir prüfen den Verdacht, dass es sich bei diesen Provisionszahlungen um Bestechungsgelder handelte.“

Ob hinter den Vorgängen System stecke, sei noch unklar: „Das ist Gegenstand der Ermittlungen.“ Auch über die genauen Lieferwege bestünden derzeit noch keine ausreichenden Kenntnisse. Laut Spiegel sollen über den Viva-Verein 2010 Arzneimittel im Wert von 39 Millionen Euro eingekauft worden sein, Produkte im Wert von 22 Millionen Euro soll alleine Sanofi geliefert haben.

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