Übermittlung von E-Rezepten

Heimbelieferung: „KIM ist keine gute Lösung“

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Berlin -

Wie funktioniert das E-Rezept auch in der Heimversorgung flüssig? Noch ist auch ein Jahr nach flächendeckender Einführung längst nicht alles geklärt – bringt die Digitalisierung wirklich eine Entlastung für die Beteiligten oder lediglich eine „Elektrifizierung“ analoger Prozesse? TI-Experte Mark Langguth spricht sich unter anderem für eine Plattformlösung aus. Die eigentlich für solche Prozesse vorgesehene Kommunikation im Medizinwesen (KIM) sei aus mehreren Gründen nicht praktikabel.

Aktuell sehen die Abläufe im Heim bei der Medikation so aus: Das Heim bestellt die nötige Medikation beim versorgenden Arzt, dieser stellt entsprechende Rezepte aus, das Heim kann die Rezepte anschließend an die beliefernde Apotheke weitergeben, die wiederum dann die Arzneimittel liefern kann. Liegt ein Heimbelieferungsvertrag vor, kann der Arzt die Rezepte auch direkt an die beliefernde Apotheke geben. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch die Apotheke die Folgerezepte beim Arzt anfordern.

Das Konstrukt der Heimbelieferung ist damit schon schwierig genug; die Prozesse zu digitalisieren, bringt für die Beteiligten zusätzliche Hürden. Ärzt:innen müssen darauf achten, sich nicht der Zuweisung schuldig zu machen, wenn für den Patienten kein Heimbelieferungsvertrag mit einer Apotheke besteht. Die Mitarbeitenden können schnell den Überblick über die Abläufe verlieren. Am Ende ist womöglich auch die Versorgungslage der Heimbewohner:innen gefährdet.

Der Prozess, bei dem Versicherte aktuell in der Apotheke ihre elektronische Gesundheitskarte (eGK) stecken, müsse für die Heimversorgung also dringend digitalisiert werden, befindet Langguth. Er hat viele Jahre bei der Gematik gearbeitet und kennt die technischen Gegebenheiten, aber auch die Herausforderungen, mit denen sich die Telematikinfrastruktur (TI) konfrontiert sieht.

KIM funktioniert, ist aber ungeeignet

Vermutlich für eine schnelle Lösung habe die Gematik das Tool Kommunikation im Medizinwesen (KIM) für die Heimbelieferung auserkoren. Hiermit könnten dann die Rezeptanfragen sowie der E-Rezept-Token digital zwischen den Beteiligten versendet werden, entsprechende Software-Integrationen sollen den Prozess praxistauglich gestalten. „Der Prozess im Kern funktioniert“, stellt Langguth fest. Doch an der Umsetzung wird es scheitern: „Diese technische Lösung wird im Feld weder reibungslos funktionieren, noch wird es zu der Entlastung führen, die über (echte) Digitalisierung möglich wäre“, so der Experte.

Er gibt verschiedene Probleme bei der Gematik-Lösung zu bedenken: So sei KIM nicht zuverlässig und schnell, Nachrichten kämen auch mal mit deutlichem Verzug an. Werden die Nachrichten beispielsweise bei Praxisurlaub nicht abgerufen, werden die Heime nicht darüber informiert, dass ihre Nachrichten gar nicht bearbeitet werden. Die verschiedensten Softwaresysteme in Praxen, Heimen und Apotheken müssten zudem interoperabel arbeiten, damit die Lösung überhaupt genutzt werden kann. „Dieser Lösungsansatz erfüllt nicht die zwingenden Ziele: Verlässlichkeit und Transparenz.“

Zu klären seien für die problemlose Versorgung:

  • Welches Pflegeheim hat eine heimbeliefernde Apotheke?
  • Welche Apotheke ist dies aktuell?
  • Welcher Betreute hat einem solchen Vertrag zugestimmt und welcher nicht?
  • Welcher Arzt ist gerade nicht verfügbar (Urlaub / Krankheit)?

Über KIM seien diese Fragen für die Versorgenden nicht zu klären. Dass die E-Mail-basierte Kommunikation hier an ihre Grenzen stößt, sei dabei abzusehen gewesen, so Langguth. Stattdessen würde eine moderne Lösung die gesamte Problematik lösen: eine Plattform. Alle Leistungserbringer könnten über genormte Schnittstellen angebunden werden und könnten immer den aktuellen Stand bei allen Rezepten einsehen, so die Vision des TI-Experten. Schließlich seien Plattformen im Handel schon seit vielen Jahren das Mittel der Wahl und etablierten sich nach und nach auch in anderen Branchen.

Plattform wäre beste Lösung

Die Idee: „Der E-Rezept-Server der TI wird zur zentralen ‚Drehscheibe‘ für die Prozesse rund um die Anforderung, Ausstellung, Zuweisung und Dispensierung von Folgerezepten“, so Langguth, alles erfolge automatisch und rechtskonform. Der jeweilige Status eines Rezeptes sei für alle einsehbar, Heime könnten relevante Informationen, wie zum Heimbelieferungsvertrag hinterlegen, Apotheken könnten das Medikationsmangement in Form von Folgerezeptanfragen hierüber abbilden und auch die Lieferengpässe könnten hier für alle sichtbar angezeigt werden.

Auch das elektronische Betäubungsmittelrezept (E-BtM-Rezept) und E-Rezepte im Heil- und Hilfsmittel-Bereich ließen sich so umsetzen. „Bislang plant die Gematik auch für diese Verordnungsarten den Einsatz von KIM“, gibt Langguth zu bedenken. Dabei entspräche eine Plattform dem Stand der Technik, eine mailbasierte Lösung aber ganz klar nicht.

Leistungserbringer sollen handeln

Somit seien nun alle Beteiligten zum Handeln aufgerufen: „Wenn nicht interveniert wird, wird die Gematik diese mailbasierte Lösung festschreiben – mit allen entsprechenden Auswirkungen für Ihren Arbeitsalltag“, appelliert Langguth an Ärzt:innen, Pflegende und Apotheker:innen.

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