Noch viele Schwachstellen

E-Rezept: DAV schreibt Brandbrief ans BMG

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Berlin -

Lange hat die Abda still gehalten, hat sich beim E-Rezept als verlässlicher Partner präsentiert. Doch vor dem Pflichttermin wächst die Sorge, dass die Sache richtig schief gehen könnte. Daher hat der Deutsche Apothekerverband (DAV) einen Brandbrief an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) geschickt und die holprige Umsetzung sowie die unzureichende Einbindung der Apotheken kritisiert. Das sei „inakzeptabel“, man fühle sich „ignoriert“.

Die Apothekerschaft habe bewiesen, dass sie „trotz Corona, Lieferengpässen, Personalmangel und Unterfinanzierung“ durchaus als „Digitalisierungsmotor“ anzusehen sei und in Sachen E-Rezept alle Wege geebnet hätte. Aber auch wenn die Apothekerschaft mehrfach auf bestehende Probleme hingewiesen habe, seien diese nicht abschließend gelöst worden, schreibt Geschäftsführerin Claudia Korf an BMG-Abteilungsleiterin Susanne Ozegowski.

Datenqualität

So lasse die formale und inhaltliche Qualität vieler Verordnungen zu wünschen übrig, häufig sei ein zu großer Interpretationsspielraum das Problem. „Der DAV hatte bereits darum gebeten, in den Verhandlungen zur technischen Ausgestaltung der E-Verordnung mindestens ins Benehmen gesetzt zu werden. In den Apotheken sind die Verordnungen Grundlage allen Handelns. Dass die Apothekerschaft hier kein Mitspracherecht besitzt und trotz konstruktiver Vorschläge nicht ausreichend gehört wird, ist inakzeptabel.“

Der Versorgungsalltag zeige hier nach mittlerweile über zwölf Millionen E-Rezepten leider deutliche „Unzulänglichkeiten“. Der DAV bittet an dieser Stelle erneut darum, endlich eingebunden zu werden.

Freitext

Die Nutzung von Freitextfeldern, zum Beispiel für die Berufsbezeichnung oder Dosierangaben, berge nach wie vor Fehleranfälligkeiten, so der von DAV-Spitze Claudia Korf unterschriebene Brandbrief. Verordner würden hier häufig willkürlich auch nicht für dort vorgesehene Angaben machen. „Bemühungen unsererseits, hier Anpassungen zu erwirken, werden leider weitestgehend ignoriert.“

Stattdessen sollte die Nutzung von Freitextfeldern auf ein absolutes Minimum und die Verpflichtung zur Nutzung von strukturierten Daten gesetzt sein. Klare Regeln sorgten für mehr Sicherheit bei den abgebenden Apotheken. Daher sollte es für die Belieferung von Freitextverordnungen auch mehr Spielraum im Rahmen der Abgabe geben, was die Retax-Möglichkeiten der Krankenkassen deutlich eingeschränke.

Retaxationsgefahr

Die schlechte Datenqualität gefährde zudem nicht nur die Patient:innen (wobei Apotheken hier immer schnell und kostengünstig korrigieren würden), sondern sie bergen auch eine ständige Retax-Gefahr für die Apothekeninhaber:innen. Dank E-Rezept ergeben sich hier sogar neue Möglichkeiten für die Kassen, so der DAV. „Unbefriedigend ist vor allem der Umstand, dass Kassen auch nach Jahren noch Retaxationen aussprechen können. Hieraus ergibt sich auch die Gefahr, dass Fehler nicht gemeldet werden, um später damit Kosten drücken zu können.“

„Um diese unverhältnismäßige Gefahr für die Apotheken abzumildern wäre eine maximale Frist zur Retaxation von einem Monat ein probates Mittel. Die Möglichkeiten dafür sind mit der Einführung des E-Rezeptes als vollständig digitalisiertem Versorgungsprozess gegeben.“

Rechtssicherheit

Laut DAV müssten auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich des E-Rezeptes modernisiert werden. „Das Digitalisierungsgesetz soll diesem Umstand Rechnung tragen, erfasst aus unserer Sicht jedoch nicht alle Facetten.“ Das BMG vergesse regelmäßig, dass auch Verordnungen und Gesetze der Versorgungsprozesse angepasst werden müssen. „Digitalisierung darf nicht nur von der Selbstverwaltung und den Leistungserbringern gefordert werden, sondern muss auch im BMG über die Abteilung 5 hinaus Kernthema sein.“

Das bedeute beim E-Rezept klare Vorgaben, welche Produkte Leistungserbringer elektronisch verordnen dürfen, welche formalen Anforderungen dabei gelten und welche Prüfpflichten sich daraus für Apotheken ergeben. Das BMG müsse hier präziser werden, um die Digitalisierung einfach und sicher zu machen, fordert der DAV.

Visualisierung von Verordnungen

Wünschenswert wäre zudem eine einheitliche Visualisierungsmöglichkeit für E-Rezepte. Vom DAV seien dazu bereits Vorschläge für zentrale, verbindliche Stylesheets eingegangen. „Derzeit sind alle ‚Anwender‘ auf die Visualisierung in ihren jeweiligen Softwaresystemen, bis hin zur E-Rezept-App, angewiesen. Dies erschwert insbesondere die Kommunikation bei Rückfragen, Klärfällen, Erstattungsanträgen und in Retaxationsangelegenheiten.“ Auch für die elektronischen Patientenakte (ePA) würde das Vorteile bringen.

Verfügbarkeit technischer Dienste und Support

Auch dem DAV sind die immer wieder auftretenden Ausfälle bei der zur Bearbeitung des E-Rezeptes notwendigen TI ein Dorn im Auge. In den Arztpraxen könnte im Störfall auf Papier zurückgegriffen werden, für die Apotheke gibt es keinen Plan B. Vielen Apotheken bleibt dann oft nur das Wegschicken der Patient:innen.

„Darüber hinaus ist die Verfügbarkeit aller für das E-Rezept relevanten Dienste mit höchster Priorität sicherzustellen, damit die Akzeptanz des Systems gerade in der Startphase nicht gefährdet wird“, so Korf. Zuständige Support-Hotlines müssten sich dafür auch an den Öffnungszeiten der Apotheken orientieren. Der DAV fordert eine entsprechende Support-Abdeckung von 8 bis 22 Uhr von Montag bis Samstag.

Bei Störungen sei zudem die Kommunikation zu verbessern: für die unterschiedlichen Zielgruppen angepasste Informationen, ein Aufbau von Meldeketten und Kommunikationsstrukturen zwischen Betreibern der TI-Dienste und den Primärsystemherstellern sowie der Aufbau eines Notfall- und Krisenmanagements.

„Wir vertrauen darauf, dass diese Anliegen ebenfalls in Ihrem Interesse liegen und unsere Vorschläge Widerhall finden“, schließt Korf ihren Brief und hofft, zukünftig die Expertise der Apotheken berücksichtigt zu wissen.

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