Zeitpunkt des Therapiestarts entscheidend

Krebstherapie: Behandlungsverzögerung erhöht Sterberisiko

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Berlin -

Bei zahlreichen Krebserkrankungen ist der Therapiestart ausschlaggebend für den Erfolg der Behandlung. Die Corona-Pandemie kann zum Problem werden, wenn die Kliniken durch Covid-19 an ihre Grenzen gelangen und Behandlungen verschoben werden müssen.

Im Zuge der Corona-Pandemie wurden weltweit viele nicht dringliche Operationen und Behandlungen verschoben. Gerade für Krebs-Patienten könne dies allerdings schwerwiegende Folgen haben, warnen kanadische und britische Mediziner im Fachblatt „The BMJ“. Schon ein Monat Verzögerung in der Krebstherapie könne das Sterberisiko um 3 bis 13 Prozent erhöhen, so das Fazit der Wissenschaftler. Es wachse umso mehr, je später die Behandlung beginne. In Deutschland spielte das Problem bisher wohl keine allzu große Rolle, weil während der ersten Infektionswelle im Frühjahr vor allem nicht zwingend nötige Eingriffe wie Hüft-OPs verschoben wurden, kaum lebensnotwendige wie Krebs-OPs. Doch verzögern kann sich eine OP oder Therapie auch aus einem anderen pandemie-bedingten Grund.

Unter den aufgeschobenen Eingriffen waren laut einer Datenerhebung im Mai 52.000 Krebsoperationen. Das entspreche einem Anteil von rund einem Viertel aller Eingriffe bei malignen Erkrankungen. Nicht jeder Aufschub einer tumorbedingten Operation muss zwangsläufig mit einer Verschlechterung der Prognose einhergehen. Bei einigen Tumoren spiele beispielsweise auch die Strahlentherapie eine Rolle. Die deutschen Kapazitäten werden allgemein so eingeschätzt, dass keine dringende Krebsoperation hinausgezögert werden muss. Wissenschaftler gingen bereits im Frühling davon aus, dass es viele Monate, wenn nicht gar Jahre dauern könnte, bis alle aufgeschobenen Eingriffe nachgeholt sind.

Dass sich eine verspätete Behandlung bei Krebspatienten jedoch häufig negativ auswirken kann, ist bekannt. Ein Team um den Onkologen Timothy Hanna von der kanadischen Queen's Universität untersuchte nun im Detail, wie sich eine Verzögerung zwischen Diagnose und Therapiebeginn auf die Mortalität von Patienten auswirkt. Dafür führten die Wissenschaftler eine Metaanalyse von 34 Studien aus der Zeit von Januar 2000 bis April 2020 mit insgesamt knapp 1,3 Millionen Patienten durch. Die Arbeiten behandelten chirurgische Eingriffe, systemische Therapien (Chemotherapien) und Strahlentherapien für sieben Krebsarten – darunter Blasen-, Brust- Darm- und Lungenkrebs - die zusammen 44 Prozent aller weltweit auftretenden Krebsarten ausmachen.

Das Ergebnis: „Eine vierwöchige Verzögerung der Therapie ist bei allen gängigen Formen der Krebsbehandlung mit einem Anstieg der Mortalität verbunden, wobei längere Verzögerungen zunehmend nachteilig sind“, so Hauptautor Hanna. Konkret erhöhe sich das Sterberisiko bei Operationen für jede vierwöchige Verzögerung um 6 bis 8 Prozent, bei einigen Strahlen- und systemischen Therapien sogar um bis zu 13 Prozent. Die Mediziner kalkulierten, dass Verschiebungen um acht bis zwölf Wochen das Todesrisiko noch weiter erhöhten. Als Beispiel dafür nennen sie Brustkrebs, bei dem eine achtwöchige Operationsverzögerung das Risiko um 17 Prozent ansteigen lasse, bei zwölf Wochen gar um 26 Prozent.

Die Wissenschaftler räumen ein, dass ihre Studie auf Beobachtungsstudien basiert, was bedeute, dass Zusammenhänge nicht einwandfrei belegt werden könnten. So könnten Verschiebungen etwa auch daher rühren, dass Patienten Mehrfacherkrankungen haben, die das Sterberisiko erhöhen. Nichtsdestotrotz sei es gerade mit Blick auf die Corona-Pandemie wichtig, die möglichen Folgen von Behandlungsverzögerungen besser zu verstehen.

Wie viele Operationen in Deutschland tatsächlich wegen Corona aufgeschoben wurden, lässt sich nach Angaben von Joachim Odenbach von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) erst sagen, wenn endgültige Daten vorliegen. Insgesamt seien in den Kliniken hierzulande aber keine lebensnotwendigen Eingriffe, sondern in erster Linie elektive Leistungen verschoben worden. Viele davon seien etwa auf den plastisch-chirurgischen Bereich entfallen, zudem habe beispielsweise die AOK 80 Prozent weniger Hüftprothesen-OPs verzeichnet. Blinddarm-Operationen hätten hingegen sogar leicht zugenommen. „Die Angaben der Krankenkassen zeigen, dass die Kliniken verantwortungsvoll mit der Situation umgegangen sind und sie werden das auch weiterhin tun“, so DKG-Sprecher Odenbach.

 

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