Infektionsrisiko senken

Aerosolbildung: Atmen schlimmer als Husten

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Berlin -

Coronaviren können über die Umgebungsluft übertragen werden. Hierbei haften die Viren an kleinsten festen oder flüssigen Partikeln in der Luft – den sogenannten Aerosolen. Vor allem in Innenräumen steigt das Infektionsrisiko. Regelmäßiges Lüften, das Tragen von Masken und das Aufstellen von Luftfiltern kann die Aerosolkonzentration und somit das Infektionsrisiko senken. Anhand von Studienergebnissen zeigt sich, dass Singen und Husten zu einer geringeren Viruslast in der Umgebungsluft sorgen, als reines Atmen. Grund hierfür sind die verschiedenen Aerosol-Größen.

Die anfängliche Annahme, dass Sars-CoV-2 sich hauptsächlich über Tröpfchen verbreitet ist mittlerweile wiederlegt. Ein Großteil der Viren wird über Aerosole getragen und so in der Umgebungsluft verteilt. Gerade in Innenräumen mit wenig Luftzirkulation kommt es zu hohen Aerosolkonzentrationen und folglich auch zu einer potentiell erhöhten Viruskonzentration. Einzelne Verkehrsbetriebe forderten ihre Fahrgäste nun auf, wenn möglich in Bussen und Bahnen zu schweigen, um so die Virusverteilung zu minimieren. Studien zeigen jedoch, dass die kleinsten und somit am längsten schwebenden Partikel beim normalen Atmen ausgesondert werden.

Partikel sinken aufgrund der Schwerkraft mit steigendem Gewicht schneller zu Boden. In Versuchen konnte gezeigt werden, dass Partikel über 100 μm innerhalb von rund drei Sekunden zu Boden sinken. Erst ab diesem Durchmesser kann laut aktuellem Forschungsstand angenommen werden, dass kein luftgetragener Transport mehr stattfindet. Es kann eine sogenannte ballistische Flugbahn zur Transportbeschreibung angenommen werden. Die Sedimentation erfolgt schnell.

Beim Sprechen und Singen konnten in ersten Untersuchungen Partikelgrößen von 1 μm bis 2 μm bestimmt werden. Erster Forschungsprojekte zeigen, dass die Partikelanzahl mit steigender Lautstärke ebenfalls ansteigt. Ob dieser Umstand auch Auswirkungen auf die Partikelgröße hat, ist bislang noch offen. Partikel dieser Größe benötigen rund 7 Stunden bis sie am Boden angelangt sind (in Räumen ohne Luftzirkulation). Beim reinen Atmen sind die Partikel kleiner – 0,2 μm bis 0,5 μm werden in den meisten Untersuchungen angegeben. Partikel dieser Größe verbleiben um einiges länger in der Luft. Ein 0,1 μm großer Aerosolpartikel ist bei gleichbleibenden, windstillen Umgebungsbedingungen nach über 300 Stunden immer noch in der Luft. Ein Partikel der Größe 0,4 μm sinkt innerhalb von 39 Stunden zu Boden. All diesen Zeitangaben liegt die theoretische Überlegung zugrunde, dass die Partikel eine Dichte von 1 Gramm pro Kubikzentimeter aufweisen.

Je größer der Partikel also ist, desto schneller spielt er keine Rolle mehr bei einer potentiellen Infektion über Aerosole. Doch auch weitere Faktoren tragen zur Beseitigung von Aerosolen bei. Die Luftfeuchtigkeit der Umgebung trägt beispielsweise zum Wachstum oder zum Schrumpfen von flüssigen Aerosolen bei. Bei einer hohen Umgebungsfeuchte kann Flüssigkeit an kleinsten Partikeln anhaften. Durch diesen Prozess vergrößern sich die Aerosole, werden schwerer und sinken zu Boden. Auch in umgekehrter Reihenfolge ist dieser Prozess möglich. Bei sehr trockener Luft kommt es zur Verdunstung von Flüssigkeit am Partikel – das Gewicht sinkt, die Aerosole bleiben länger in der Luft.

Wissenschaftler konnten zeigen, dass ein Wassertropfen mit der initialen Größe von 100 μm bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent lediglich 15 Sekunden benötigt, um durch Verdunstungsprozesse auf eine Größe von 0,14 μm zu schrumpfen. Das entspricht der Größe von Sars-CoV-2. Bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent verlängert sich diese zeit um das vier- bis fünffache. Neben der Luftfeuchtigkeit trägt auch die Luftumwälzung zur Beseitigung der Aerosole bei. Je häufiger gelüftet wird, desto besser kann die Aerosollast gesenkt werden. Zusätzliches Aufstellen von Luftreinigern kann die Aerosollast zusätzlich senken.

Interessant sind Forschungsergebnisse mit Influenzaviren aus dem Jahre 2008. Hier untersuchten Wissenschaftler die Viruslast von Grippe-Patienten in der Atem- und in der Sprechluft. Die Wissenschaftler der University of Massachusetts konnten zeigen, dass beim Atmen bei 35 von 37 mit Influenza infizierten Patienten eine hohe Anzahl an Influenza­Viren im kleinen Partikelgrößenbereich gefunden werden konnte. Bei der Husten-Probe konnte nur bei 16 von 37 Patienten Virus-RNA nachgewiesen werden. Auch die Gesamtmenge an Virusmaterial war in der Atemluft höher als in der ausgehusteten Luft.

 

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