Kommentar

Thomapyrin-Pakt: Die Hersteller-Zusteller

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Berlin -

Seit Monaten wartet die Branche auf das Konzept der Initiative Pro AvO. Jetzt preschen Einzelne der Gruppe im Pakt mit einem Hersteller vor. Thomaypyrin, und nur dies, kann man sich innerhalb von zwei Stunden liefern lassen. 30 Frankfurter Apotheken machen mit. Viel mehr als Handlangertätigkeiten bleiben für sie nicht übrig. Der Geist ist aus der Flasche. Ein Kommentar von Alexander Müller.

Den Versandriesen wie DocMorris und Shop-Apotheke (und in letzter Befürchtung Amazon) etwas entgegenzusetzen, ist das Ansinnen jeder Plattform im Apothekenmarkt. Bei dem Pilotprojekt in Frankfurt versuchen die Teilnehmer jetzt, das Amazon-Modell ausgerechnet auf dem Spielfeld Logistik zu schlagen. Das ist aussichtlos und der völlig falsche Ansatz. Und: Amazon geht gerade genau den anderen Weg.

Die kostenlose Zustellung einer einzelnen Packung Thomapyrin innerhalb von zwei Stunden lohnt sich nicht. Deshalb übernimmt in der Pilotphase auch nicht die Apotheke diese Kosten, sondern Curacado oder BD Rowa oder Sanofi. Einer von den dreien hat ein besonders großes Interesse, den Absatz des Schmerzmittels zu erhöhen. Womit wir beim Wesen des Plattform-Kapitalismus wären: Eine Handelsstufe wird aus der Distributionskette ausgeschlossen, die eingesparten Kosten gibt der Plattformbetreiber an den Endkunden weiter. Damit kauft er sich ohne größere Schmerzen Marktanteile.

Dieses Pilotprojekt mag vieles sein, aber sicher keine Unterstützung der Apotheke vor Ort. Bezeichnenderweise machen auch die apothekeneigenen Mitglieder der gleichnamigen Initiative nicht mit: Noventi ist außen vor, ebenso Sanacorp. Und Gehe wurde offenbar nicht gebraucht. Eine Curacado-Sprecherin erklärte auf Nachfrage, für dieses Pilotprojekt benötige man „eine Apotheke, die Zustellung und den Shop“. Zwar sei es kein Pro AvO-Projekt, die anderen Teammitglieder würden den Piloten aber „wohlwollend begleiten“. Merkwürdig, hinter vorgehaltener Hand ist dort eher von „friendly fire“ die Rede und von wegfallender Beratungsleistung.

Machen wir den Test: Der Kunde googelt Kopfschmerzen und findet seinen Weg auf die Seite von Thomapyrin, betrieben vom Hersteller Sanofi. Der empfiehlt und verlinkt unter der Apothekensuche „beispielhaft“ zehn Versandapotheken – vor einigen Jahren gab es bei Spiegel online eine Thomapyrin-Kampagne für DocMorris. Über thomapyrin.de/lieferung gelangt man dagegen in den Thomapyrin-Shop, „powered by“ und betrieben von Curacado. Hier kann man während der Pilotphase in einer der Frankfurter Apotheken sein Schmerzmittel bestellen.

Selbst die Beteiligten scheinen sich nicht ganz sicher zu sein, was die Apotheke da eigentlich macht. In der ersten Mitteilung hieß es, die Bestellung werde direkt an die ausgewählte Apotheke übermittelt „und nicht etwa einen Versandhandel“. Gleichzeitig ist der Besitz einer Versandhandelserlaubnis aber zwingende Voraussetzung für die Teilnahme bei Curacado. Alle teilnehmenden Apotheken sind Versandapotheken. Inwiefern die sehr enge regionale Begrenzung des Liefergebiets im Pilotprojekt für eine Versandapotheke überhaupt zulässig ist, wird eine der zu klärenden rechtlichen Fragen sein.

Und eigentlich wollen die Apotheken ja gerade mit ihrem Botendienst punkten, der vom Gesetzgeber jetzt sogar leicht liberalisiert wurde. Beim Botendienst könnte allerdings die Einbindung eines externen Logistikers – hier Tiramizoo – problematisch sein, weil dieser nicht uneingeschränkt unter der Weisung des Apothekeninhabers steht. Und es müsste vorab einen persönlichen Kontakt zwischen Kunde und Apotheke gegeben haben.

Bei einem Testkauf blieb der vorherige Anruf aus. Nach knapp zwei Stunden wurde das Schmerzmittel ausgehändigt, und zwar auch noch an eine andere Person. Auf dem Lieferbon an der Tüte steht „Botendienstbeleg“. Zusammengefasst: Die Apotheke hat ein OTC-Arzneimittel, das ihr Kunde im Shop des Herstellers gefunden und schon auf der Curcado-Plattform gekauft und bezahlt hat, ohne Beratung von einem Lieferdienst zugestellt. Kein Abraten, keine alternative Empfehlung. Arzneimitteldistribution durch die Brille des Herstellers. Schlechter hätte man nicht starten können.

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