Personalmangel, Erreichbarkeit, Insolvenz

Schließungswelle: Das sind die Gründe

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Berlin -

Der Rückgang der Apothekenzahlen setzte sich auch in der ersten Jahreshälfte 2025 ungebremst fort. Schätzungen zufolge sind derzeit nur noch 16.803 Apotheken geöffnet; auf 250 Schließungen kamen in diesem Zeitraum lediglich 33 Neueröffnungen. Doch welche Gründe führen am häufigsten zur Geschäftsaufgabe? Ein Überblick.

Traditionsapotheken schließen, wirtschaftlich günstige Standorte bieten längst kein sicheres Auskommen mehr und Personal wird nach wie vor händeringend gesucht. Viele Apotheken zwingt dies – neben einer seit Jahren nicht mehr angepassten Vergütung – in die Knie.

Auch in der ersten Jahreshälfte 2025 hält die Schließungswelle an. In allen bislang gemeldeten Regionen ist die Zahl der Apotheken weiter gesunken. Eine Trendwende ist nicht erkennbar, auch wenn sich der Rückgang im Vergleich zum ersten Halbjahr 2024 leicht verlangsamt hat. Neueröffnungen bleiben weiterhin die Ausnahme.

Keine Nachfolger:innen gefunden

„Die Entwicklung in der Branche macht Apothekern das Leben schwer, so schwer, dass ich schlussendlich zusperren musste“, sagt Hendrik Frenzelder, ehemaliger Inhaber der 1694 gegründeten Grünen Apotheke in Bernburg in Sachsen-Anhalt. Er führte die Apotheke von 1982 bis 2024; einen Nachfolger habe er einfach nicht gefunden.

Trotz der zentralen Lage schloss zum 30. Juni die Sano-Apotheke in Köpenick; auch hier fand sich keine Nachfolge. Eine weitere Ursache ist laut der Inhaberin auch die Absperrung der Altstadt. „Es gibt keine Parkplätze, wir sind schwer erreichbar.“ Der Vermieter sei rund zwei Jahre lang auf Nachfolgersuche gewesen – erfolglos. „Es wurde niemand gefunden, der sich bereit erklärt hat, die Apotheke zu übernehmen.“

Zu hohes Risiko für den Nachwuchs

Und was sagt der Nachwuchs? Korwin Hildebrandt, Pharmazeut im Praktikum (PhiP), könne sich vorstellen, eines Tages eine eigene Apotheke zu führen, gerade die Gestaltungsmöglichkeiten in der Selbstständigkeit reizen ihn. Gleichzeitig sieht er wirtschaftliche Hürden. „Es fehlt an Planungssicherheit“, kritisiert Hildebrandt mit Blick auf politische Entscheidungen und stagnierende Vergütungen. Erst wenn Leistungen angemessen honoriert würden, könnten Inhaber Fachkräfte gut bezahlen: „Nur so bleibt der Arbeitsplatz attraktiv.“ Fehle das Personal, sei die Folge klar: „Dann stehe ich als Chef am Ende 60 Stunden pro Woche allein in der Offizin.“ Die Selbstständigkeit müsse zudem auch mit der Familie vereinbar sein.

Warum gesunde Unternehmen schließen

Apothekerin Katharina Worbs aus Sachsen schloss ihre Lausche-Apotheke in Großschönau wegen Personalmangel. „Ich mache ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen zu“, sagte sie kurz vor der Schließung im Mai. Das Personal konnte sie in die Hauptapotheke übernehmen.

Dr. Christian Wegner, Inhaber der Medipolis-Apotheken, musste sich kürzlich ebenso für die Schließung einer seiner Filialen entscheiden. „Die Apotheke im Post-Carré in Jena wird nur noch bis zum 31. Juli geöffnet sein“, sagt er. Trotz der im Haus befindlichen Arztpraxen: „Das Miteinander ist gut, aber es hat direkte Auswirkungen, wenn E-Rezepte nicht sofort freigegeben werden. Die Kunden kommen nicht wieder, wenn sie Ärger mit der Freischaltung hatten. Beim nächsten Mal gehen sie dann in Apotheken in ihrer Nähe oder bestellen es gleich im Internet“, bemängelt Wegner.

Viele Betriebe insolvent

Immer mehr Inhaberinnen und Inhaber sind pleite. „Der Druck bei den Apotheken ist sehr groß“, sagt Rechtsanwalt Marco Dohmen. Im vergangenen Jahr habe seine Kanzlei jeden Monat mindestens eine insolvente Apotheke neu hinzubekommen. Die Gründe für die Insolvenzen bei Apotheken seien vielfältig. „Die Kosten wie etwa für das Personal steigen und die Margen sinken“, sagt Dohmen.

Weil selbst der Verkauf einer kleinen Apotheke unmöglich ist, musste auch Michael Brzoska seine Rats-Apotheke, die er in zweiter Generation führte, nach fast 60 Jahren im April schließen. „Hätte ich weiter gearbeitet, wäre die Insolvenz gekommen“, erklärt er. Die Sonnen-Apotheke in Essen ist in eine finanzielle Schieflage geraten. Inhaber Andreas Overkemping ist zahlungsunfähig, die Apotheke ist geschlossen. Der 57-Jährige sei nicht mehr anwesend, sagt der vorläufige Insolvenzverwalter Frank Schwarzer. „Ein Verkauf der Apotheke ist aus verschiedenen Gründen nicht erfolgreich gewesen, unter anderem ist die Lage nicht mehr umsatzversprechend“, sagt der Insolvenzverwalter.

Kleine Lichtblicke

Trotz gestiegener Umsätze geraten viele Apotheken weiterhin wirtschaftlich unter Druck – das weiß auch Dr. Sebastian Schwintek, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover: „Mehr als 1400 Apotheken sind defizitär.“ Zwar erzielte die Durchschnittsapotheke 2024 mit rund 3,7 Millionen Euro den zweitstärksten Umsatzzuwachs seit 1994, doch für etwa 2400 Betriebe lohne sich das Unternehmertum nicht mehr. Das durchschnittliche Betriebsergebnis liegt bei 158.000 Euro. Dennoch sieht Schwintek Potenzial im Versorgungsgeschäft: „Das sollte uns Hoffnung geben für die Branche.“ Für 2025 rechnet er mit einem moderaten Ergebnisplus, warnt aber zugleich vor zunehmender Komplexität und politischen Unsicherheiten.

Kleine Lichtblicke gibt es dennoch: Alexander Pöschl eröffnete am 14. April 2025 seine dritte Apotheke in Cham, die in nur 14 Tagen aus dem Rohbau entstand. Die Filiale liegt in einem Gesundheitszentrum mit Sanitätshaus und Arztpraxen. Pöschl betont: „Lage ist alles.“ Er sieht die Fixumserhöhung als ersten Schritt, fordert aber weitergehende Reformen und Bürokratieabbau.

Auch die Heide-Apotheke in Beelitz-Heilstätten eröffnete in diesem Jahr. Inhaberin Franziska Gürtler setzt auf und moderne Technik mit Abhol- und Kommissionierautomaten, wodurch „mehr Zeit für die Beratung der Patienten“ bleibt.

Seit April versorgt Inhaberin Nadin Kruse mit ihrer Helme-Apotheke die 7000-Einwohner-Stadt Heringen, die damit wieder eine eigene Apotheke hat. Kruse legt großen Wert auf persönliche Beratung und plant, das Angebot um Naturheilkunde und Mikronährstoffe zu erweitern. Sie sagt: „Persönliche Beratung ist für mich das Herzstück unserer Arbeit.“

Die Sorge von Dr. Hans-Joachim Hofmann, Inhaber der Herz-Apotheke im Kaufland in Sigmaringen, war zunächst groß. Wegen eines Vermieterwechsels steht ein einjähriger Umbau im Center an, die Schließung der Apotheke drohte. „Nun dürfen wir doch während der Umbauphase am Standort bleiben“, verkündet Hofmann erleichtert. „Nur der gemeinsame starke Einsatz vieler Menschen hat dies ermöglicht.“

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