Benzodiapine, Tilidin & Co.

Rezeptfälschungen: Anzeige nicht immer erlaubt

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Berlin -

In einigen Apotheken häufen sich derzeit wieder Rezeptfälschungen. Betroffen sind die „üblichen Verdächtigen“ wie Benzodiazepine und Tildin. Zeit, für ein Update und die Antwort auf die Frage, ob Apotheken den Vorfall zur Anzeige bringen müssen – oder gar nicht dürfen.

Rezeptfälschungen sind kein Kavaliersdelikt und doch sind manipulierte Verordnungen keine Seltenheit. Original und Fälschung sind mitunter kaum zu unterscheiden. Die Rezepte werden kopiert, gedruckt oder sogar in der Praxis gestohlen. Fest steht: Hat die Apotheke eine Fälschung erkannt, darf dieses nicht beliefert werden, und zwar unabhängig davon, ob ein manipuliertes Privat- oder Kassenrezept vorliegt. Denn das pharmazeutische Personal muss gemäß § 17 Absatz 8 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch entgegenwirken. Außerdem ist eine Nullretaxation möglich.

Bei einer Rezeptfälschung handelt es sich um Urkundenfälschung, die mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden kann. In besonders schweren Fällen kann auch eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren angeordnet werden.

Daran sind Rezeptfälschungen zu erkennen

Verordnet sind meist Schmerzmittel wie Tramadol, Tilidin oder Pregabalin sowie angstlösende oder schlafanstoßende Substanzen wie Benzodiazepine oder die Z-Substanzen Zopiclon und Zolpidem. Missbrauchspotenzial gibt es auch bei Psychopharmaka und Antidepressiva wie Haloperidol, Fluoxetin oder Amitriptylin fallen auf. Manipulationen gab es auch beim Dopaminagonisten Pramipexol, der zur Behandlung der Parkinson-Krankheit eingesetzt wird. Der Arzneistoff besitzt psychotrope und libidosteigernde Eigenschaften und liefert daher Missbrauchspotenzial. Zuletzt sorgten Fälschungen bei Ozempic für Aufsehen. Aber auch manupilierte Verordnungen über Wachstumshormone laufen immer wieder auf.

Die Verordnungen werden oft am Abend – kurz vor dem Feierabend –, am Wochenende, Im Notdienst oder am Mittwoch eingelöst. Meist zu Zeitpunkten, an denen eine Rücksprache mit den Verschreibenden nicht mehr möglich ist.

Manipulationen können beispielsweise die Versichertendaten betreffen. Die Adressangaben können fehlen oder unvollständig sein. Das sind weitere Erkennungsmerkmale:

  • das Geburtsjahr des/der Patient:in ist nicht zweistellig aufgedruckt
  • der Versichertenstatus passt nicht zum Alter des/der Patient:in
  • der Versicherungsstatus ist falsch: Status 1 für Versicherungspflichtige und -berechtigte, 2 für Familienversicherte und 3 für Rentner:innen. Auffallen kann dies, wenn der Patient laut Geburtsdatum das Rentenalter noch nicht erreicht haben kann.
  • die Telefonnummer im Arztstempel passt nicht zur Praxis
  • die Magnetcodierung am rechten unteren Rand des Muster-16-Formulars fehlt.

Dürfen oder müssen Apotheken Anzeige erstatten?

Liegt eine Rezteptfälschung in der Apotheke vor, besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Erstattung einer Strafanzeige, denn § 17 Abs. 8 ApBetrO fordert nicht die Einbindung Dritter, also auch nicht der Polizei. Müssen also nicht – aber darf die Apotheke die Straftat zur Anzeige bringen, schließlich unterliegen Apotheker:innen der Schweigepflicht. „Diese umfasst alle im Zusammenhang mit der Berufsausübung als Apotheker erlangten Umstände und Kenntnisse und damit auch solche, die im Zusammenhang mit einer Straftat bekannt geworden sind. Auch gefälschte oder manipulierte Daten unterliegen der Schweigepflicht. Der Verdacht einer strafrechtlichen Handlung führt nicht zum Wegfall derselben“, informiert die Apothekerkammer Berlin.

Was gilt in puncto Schweigepflicht?

Verstoßen Apotheker:innen gegen die Schweigepflicht, werden sie selbst zum Täter. Strafbar macht sich, wer „unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker (……) anvertraut oder sonst bekannt geworden ist.“

Ob Apotheker:innen eine Fälschung zur Anzeige bringen, sollte laut Kammer gut abgewogen werden. „Wurde das Arzneimittel nicht abgegeben, darf der Apotheker potenzielle Rezeptbetrüger nicht melden.“

Wurde das Rezept jedoch beliefert und ist dadurch ein Schaden entstanden, beispielsweise weil die Apotheke retaxiert wurde und ist der entstandene Schaden für die Apotheke nicht nur geringfügig, kann Anzeige erstattet werden. Ebenso wenn Dritte geschädigt werden, weil beispielsweise mit den mittels Fälschung beschafften Arzneimitteln gedealt wird. Ist dies der Fall, könne dies dazu führen, dass das Persönlichkeitsrecht der „Kund:innen“ an der Geheimhaltung der Daten als nachrangig gegenüber den anderen schützenswerten Gütern (Leib, Leben und Gesundheit Dritter) betrachtet werden. „In diesen Fällen kann ein Bruch der Schweigepflicht gerechtfertigt sein“, so die Kammer und rät im Falle einer Anzeige das Vorgehen mit dem/der betroffenen Ärzt:in abzustimmen.

Andere Apotheken warnen erlaubt?

Auch hier kommt die Schweigepflicht ins Spiel. Das Rezept kopieren und per Fax oder Mail an die umliegenden Kolleg:innen schicken, ist nicht erlaubt. Hinweise darüber, welches Arzneimittel „verordnet“ ist und woran die Fälschung zu erkennen ist, dürfen allerdings weitergeleitet werden.

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