Baby-Boom durch Corona?

Nachfrage nach Schwangerschaftsvitaminen steigt

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Berlin -

Keine Reisen, kein Kino, keine Konzerte: Wegen der Corona-Maßnahmen müssen die Menschen zu Hause bleiben. Seit Monaten diskutieren Experten, ob der Lockdown zu einem Baby-Boom führt. Und tatsächlich steigt die Nachfrage nach Schwangerschaftsvitaminen in der Apotheke.

Während der Schwangerschaft sollten Frauen auf eine ausreichende Zufuhr an Vitaminen und Mineralstoffen achten – spätestens beim Frauenarzt wird die Einnahme spezieller Nahrungsergänzungsmittel empfohlen. Eine steigende Nachfrage nach entsprechenden Produkten könnte daher ein erster Indikator sein.

Genau dieser Effekt lässt sich derzeit in der Apotheke beobachten, wie Zahlen der Marktforschungsunternehmen Insight Health (Apotheken) und DatamedIQ (Versandapotheken) zeigen: Von Januar bis Ende Oktober wurden 1,42 Millionen Packungen an Schwangerschaftsvitaminen verkauft – 6 Prozent mehr als im Vorjahr.

Im Jahresverlauf zeigt sich demnach ein deutlicher „Corona-Effekt“: Nach regelrechten Hamsterkäufen im März schwächte sich die Nachfrage im April und Mai vorübergehend ab – um seitdem deutlich anzusteigen: Zwischen Juni und Oktober lagen die Abverkäufe 10 Prozent über Vorjahr; betrachtet man nur die Monate September und Oktober, waren es sogar 15 beziehungsweise 17 Prozent mehr, wobei der Versandhandel erstmals überproportional zulegen konnte.

„Wir sehen aktuell im Versandhandel generell eine deutlich stärkere Nachfrage an Vitamin- und Immunpräparaten“, sagt Dr. Dominique Ziegelmayer, CEO von DatamedIQ. „Das Wachstum bei den Schwangerschaftsvitaminen, gestützt durch die positive Entwicklung bei den Schwangerschaftstests, scheint atypisch und könnte für einen Anstieg der Schwangerschaften nach dem Lockdown sprechen.“

Ähnlich interpretiert Michael Hensoldt, Geschäftsführer von Insight Health, die Zahlen. Dass die Hersteller in diesem Jahr massiv in Werbung investiert haben, stützt seiner Meinung nach die These: Denn Schwangerschaftsvitamine seien keine Kategorie, bei denen die Nachfrage induziert werden könne.

Laut den Marktforschern von Research Tools aus Esslingen haben die Firmen seit Jahresbeginn rund 24 Millionen Euro für TV-Spots und Werbeanzeigen ausgegeben – allen voran Procter & Gamble (P&G), Marktführer mit Femibion.

Florian Sieben, Managing Director DACH bei P&G Personal Health Care, bestätigt, dass Femibion im vergangenen Quartal um 42 Prozent gewachsen ist und viele Konsumentinnen in die Apotheke gebracht hat. „Bei Femibion setzen wir uns dafür ein, Frauen auf dem Weg zur Mutterschaft bei der Förderung der gesunden Entwicklung ihrer Babys mit Folsäure Plus (Folsäure & Metafolin), Vitamin D und anderen wichtigen Nährstoffen zu unterstützen. Wir investieren stark in diese wichtige Kategorie und informieren beispielsweise Frauen mit unserer TV-Kampagne und 762 Millionen Bruttokontakten darüber, dass Schwangerschaftsvitamine, wie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen, sowohl in also auch bereits vor der Schwangerschaft wichtig sind.“ Femibion sei das meist empfohlene Schwangerschaftsvitamin von Gynäkologen.

Auch der Berliner Hersteller Steripharm freut sich über gestiegene Nachfrage: „Das Interesse an unseren Folio-Produkten ist auch in diesem Jahr ungebrochen und wir spüren eine beträchtliche Nachfrage“, sagt Geschäftsführer Klaus Brill. „Zu unserer großen Freunde hat sich unser jüngstes Produkt Folio men besonders positiv entwickelt.“ Auch für für das kommende gehe er von einer steigenden Resonanz aus: „Steripharm blickt in Bezug auf ihre Kinderwunsch- und Schwangerschaftspräparate optimistisch in das Jahr 2021.“

Bei Schwangerschaftstests zeigen die Zahlen übrigens kein einheitliches Bild: In der Offizin lagen die Abverkäufe fast durchweg unter Vorjahr, im gesamten Jahresverlauf ergibt sich ein Minus von 2 Prozent. Nur im Juni sowie im September und Oktober konnte Zuwächse erzielt werden. Positiv entwickelte sich das Geschäft im Versandhandel mit einem Plus von 13 Prozent bis einschließlich Oktober. Insgesamt lagen die Abverkäufe mit 1,7 Millionen Packungen auf Vorjahresniveau. Allerdings sind Apotheken vielfach nicht die erste Anlaufstelle, wenn es um Schwangerschaftstests geht.

Nach wie vor zurückhaltend ist allerdings der Berufsverband der Frauenärzte (BVF). Eine statistisch belastbare Aussage zu Schwangerschaften während Corona lasse sich nicht treffen, zumal andere Effekte zu berücksichtigen seien. Im März etwa seien vermehrt Schwangerschaftstests verkauft worden – ohne dass es in der Folge mehr Schwangerschaften gegeben hätte. Vielmehr sei die gestiegene Nachfrage darauf zurückzuführen gewesen, dass Frauen aus Vorsicht auf einen Besuch bei ihrem Frauenarzt verzichtet hatten.

Von Frauenärzten und Hebammen gebe es nach wie vor keine Rückmeldungen über einen Anstieg an Schwangerschaften, so der BVF. Eine leichte Zunahme sei zwar denkbar. „Weil vielleicht Paare, die einen Kinderwunsch hatten, mehr Zeit und Gelassenheit hatten“, so Verbandspräsident Christian Albring. „Das wird sich aber, wenn überhaupt, sicherlich nur im einstelligen Bereich bewegen.“ Denn andererseits stellten viele Paare wegen der wirtschaftlichen Sorgen den Gedanken an ihren Kinderwunsch zurück, so Albring.

In Deutschland werden laut BVF jährlich zwischen 770.000 und 800.000 Kinder geboren. Das sind etwa acht neue schwangere Frauen in jeder frauenärztlichen Praxis pro Monat.

 

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