Verblisterung

Holdermann: Blister machen gesünder

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Berlin -

Auf die Blister-Kritik aus Sachsen folgt fast schon reflexartig die Reaktion der Angegriffenen: Die Verblisterung sei das Mittel der Wahl, insbesondere für multimorbide Patienten, erklärt der Bundesverband Patientenindividueller Arzneimittelverblisterer (BPAV). Zur Unterstützung hat der Verband den Landesausschuss für Innere Mission in Brandenburg (LAFIM) mit ins Boot geholt, der im Land rund 30 Pflegestandorte betreibt – und überall verblisterte Medikamente einsetzt.

Aus Sicht der beiden Organisationen überwiegen bei der Verblisterung die „Vorteile bei der Arzneimitteltherapiesicherheit, der Compliance und dem effizienten Einsatz von Medikamenten“. Die Verblisterung erleichtere den Pflegekräften des LAFIM die Arbeit, da sie mehr Zeit für die Patienten hätten und weniger Fehler bei der Medikamentenabgabe aufträten.

Der BPAV-Vorsitzende Hans-Werner Holdermann betont: „Patienten, die individuell verblisterte Arzneimittel bekommen, geht es gesundheitlich besser als denjenigen Patienten, die ihre Arzneimittel durch manuelles Stellen bekommen.“ Von den Unternehmen mit Erlaubnis nach Arzneimittelgesetz (AMG) werde eine valide Herstellung der Blister nach den GMP-Richtlinien verlangt: „Letztlich werden die von Herstellbetrieben hergestellten Blister von zwei Apothekern verantwortet: Von der beauftragenden Apotheke und der Qualified Person (QP) des Herstellbetriebes – mehr geht nicht“, so Holdermann.

Auch LAFIM-Sprecher Martin Dubberke zeigt sich überzeugt: „Unsere Pflegekräfte freuen sich, dass Sie die Arzneimittelgabe und -einnahme durch die Patienten zum Großteil lediglich überwachen müssen, aber nicht mehr die Verantwortung für das Stellen der Medikation haben.“ Angehörige aus der Region erkundigten sich regelmäßig, wie die optimale Versorgung mit Arzneimitteln gewährleistet werde – die Verblisterung sei inzwischen zu einem Qualitätssiegel geworden.

Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus Sicht des LAFIM aus den zusammen mit den betreuenden Apotheken erstellten Medikationsplänen. Die Arzneimittelabgabe sei somit für Patienten, Pflegekräfte und Angehörige jederzeit transparent. Folgebehandlungen aufgrund von Fehlmedikation oder mangelnder Therapietreue seien auf dem Rückzug.

Apotheker und Ärzte aus Sachsen hatten in der vergangenen Woche kritisiert, dass die industrielle Zweit- und Neuverblisterung von Arzneimitteln keine Vorteile bringe. Es lägen kaum objektive Daten darüber vor, ob und inwieweit die Verblisterung die Arzneimitteltherapiesicherheit tatsächlich verbessere oder die Gesamtkosten reduziere. Allerdings sehen die Heilberufler die Gefahr, dass Darreichungsformen wie Säfte, Zäpfchen, Salben oder Schmerzpflaster zugunsten verblisterter Arzneimittel ersetzt würden.

Die Apotheker warnten weiterhin, dass es keine gesicherten Informationen über die Stabilität geteilter Arzneiformen gebe. Friedemann Schmidt, Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer (SLAK) und der ABDA, gab zu bedenken, dass die abgebende Apotheke wichtige Sicherheitsmerkmale auf den Originalpackungen nicht mehr kontrollieren könne. Die Ärzte sahen vor allem kritisch, dass kurzfristige Therapieumstellungen erschwert würden und das Wissen im Umgang mit Arzneimitteln verloren gehe.

Sachsen ist bereits das dritte Bundesland, in dem sich Apotheker und Ärzte kritisch zur Verblisterung äußern. Den Anfang machte 2011 Brandenburg: Ärzte- und Apothekerkammer lehnten in einem gemeinsamen Positionspapier die Zweitverblisterung ab. Dr. Jürgen Kögel, der damalige Präsident der Apothekerkammer, kritisierte nicht nur erhebliche Risiken, etwa in Sachen Stabilität und Haltbarkeit, sondern auch, dass Heime Druck auf Apotheken ausübten.

Der BPAV kritisierte damals, „Kammer-Egoismen“ und „Besitzstandswahrung“ verhinderten Fortschritt wie eine verbesserte Therapietreue und verringerte Folgekosten. Die Verblisterung verkleinere auch nicht das zur Verfügung stehende Sortiment, denn grundsätzlich sei jedes Blisterzentrum verpflichtet, alle blisterfähigen Arzneimittel anzubieten.

Die Heilberufler in Thüringen zogen 2014 mit einem gemeinsamen Positionspapier nach. Beteiligt waren wie aktuell in Sachsen Apothekerkammer und -verband, Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung. Sie warnten, dass immer wieder kurzfristige Therapieänderungen nötig seien. Müsse deshalb der gesamte Blister weggeworfen und neu hergestellt werden, sei dies unter Umständen aus Sicht der Kostenträger unwirtschaftlich.

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