UPD

Die Apothekerin, die nur berät

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Berlin -

Rund 94.000 abgeschlossene Beratungsgespräche hat die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) allein im vergangenen Jahr dokumentiert. Fragen zu Medikamenten, Krankheiten und Arztkonsultationen werden ebenso gestellt wie zu Krankengeld oder Patientenverfügung. Unter den Experten finden sich auch Apothekerinnen. Eine von ihnen ist Svenja Schwob.

Seit 20 Monaten berät die UPD jetzt zu Krankheiten, Arzneimitteln, Untersuchungen und Behandlungen. Aber auch zu rechtlichen Anliegen stehen die Experten bereit. Dazu zählen Krankengeld, Kostenübernahme, Krankenakte, Patientenverfügung oder Probleme mit der Krankenkasse, dem Arzt oder Apotheker.

„Dabei sehen wir uns häufig als Lotse. Wir sagen, wo es noch weiterführende Informationen gibt, etwa bei Pflegestützpunkten, Bürgertelefonen, der Weißen Liste oder dem Krebsinformationsdienst. Dazu vermitteln wir die Adressen von Ärzten oder lokalen Selbsthilfegruppen“, sagt UPD-Sprecher Jann Ohlendorf. „In unserer Beratung sind wir zu strikter Neutralität verpflichtet. Wir zeigen Ratsuchenden, anhand welcher Kriterien sie medizinische Angebote bewerten können, wir geben aber keine Empfehlungen oder Bewertungen.“

Im Team finden sich Ärzte, Volljuristen, Sozialversicherungsangestellte, MTA und Apothekerinnen. Ergänzend zur Beratung über Telefon und Internet wurden persönliche Beratungsangebote eingerichtet: Nach vorheriger Anmeldung per Telefon ist eine persönliche Beratung an barrierefreien Standorten in 30 Großstädten möglich. Weitere 100 kleinere Städte werden jeweils einmal im Quartal mit dem UPD-Mobil angefahren. Nach vorheriger Anmeldung können die Berater vor Ort Experten aus der Berliner Zentrale zuschalten. Das Angebot ist nicht auf die deutsche Sprache beschränkt, verfügbar sind auch Russisch, Türkisch und Arabisch.

Bei der UPD arbeitet auch Apothekerin Svenja Schwob. Nach Abschluss ihres Pharmaziestudiums 2011 arbeitete sie in öffentlichen Apotheken in Berlin und machte dazu einen Master in Public Health. „Ich wollte mehr über die Hintergründe des Gesundheitswesens erfahren und über den Tellerrand der Apotheke hinausblicken“, sagt sie heute. Bei der UPD könne sie die Kompetenzen aus beiden Bereichen vereinen. „Die Beratung hat mich in den Apotheken schon immer besonders gereizt.“ Fragen nach der Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln oder – seltener – zu Rabattverträgen gehören zu den Gesprächsinhalten.

Vor allem tauchten aber immer wieder Fragen zu rezeptpflichtigen Medikamenten auf, sagt Schwob. „Neben der Beratung ist die Recherche ein zweiter, sehr großer Bestandteil meiner Arbeit. In Online-Datenbanken finde ich aktuelle Informationen zur Arzneimitteltherapiesicherheit oder Leitlinien.“

Auch im Austausch mit Kollegen und mit regelmäßigen internen Fortbildungen halte das Team sich fachlich fit. „Während der Schulungsvorbereitung kann ich mich regelmäßig intensiv mit pharmazeutisch-medizinischen Themen auseinandersetzen. Das gefällt mir“, bekundet Schwob. „Auch wenn wir keine individuellen Handlungsempfehlungen aussprechen: Unser Anspruch ist es, dass die Ratsuchenden nach der Beratung auf informierter Grundlage selbst Entscheidungen treffen können.“

Viele Apotheker würden die UPD möglicherweise noch gar nicht kennen, meint Jann Ohlendorf. Dabei sei ein Hinweis auf die Beratung der UPD gerade für Apothekenkunden möglicherweise nützlich. „Viele Ratsuchende wünschen sich zum Beispiel nach dem Besuch von Arzt und Apotheker ein weiteres Gespräch, in dem sie nochmals über ihre Arzneimittel und Erkrankungen sprechen können.“

In der Praxis nehmen vor allem ältere Menschen regelmäßig mehrere Medikamente ein, das müsse im Beratungsgespräch berücksichtigt werden, erklärt die Beraterin. „Ein Patient mit verschiedenen Erkrankungen geht typischerweise zu unterschiedlichen Fachärzten und bekommt verschiedene Medikamente verordnet. Zuhause angekommen ist er sich nicht sicher, ob er alles richtig verstanden hat. Er fängt an zu googlen, findet Informationen, die ihn vielleicht noch mehr verunsichern und ruft uns bei uns an“, schildert Schwob.

„Landet er nicht direkt bei einem der Fachberater, wird im Annahmegespräch zunächst das Anliegen besprochen, gegebenenfalls werden die Medikamente erfasst. Im eigentlichen Beratungsgespräch gehen wir noch einmal die Arzneimittel durch, um auszuschließen, dass sich Verständnisfehler eingeschlichen haben.“

Daran schließe sich bei Bedarf ein Wechselwirkungscheck an, erläutert Schwob. Sie frage gezielt nach zusätzlich gekauften OTC-Mitteln. „Viele wissen gar nicht, dass auch Kopfschmerzmittel die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen können. Um die Sicherheit der Therapie zu erhöhen, rate ich, gegebenenfalls die Gesamtmedikation individuell untersuchen zu lassen.“ Häufig stelle sich im Gespräch ein Aha-Effekt ein. „‘Darauf hat mich mein Apotheker ja auch schon hingewiesen‘, höre ich dann schon mal.“

Wesentlich bei einer Übersicht helfen könne der im vergangenen Jahr eingeführte bundeseinheitliche Medikationsplan. „Wir haben allerdings den Eindruck, dass er in der Praxis noch gar nicht richtig angekommen ist“, sagt Ohlendorf. Er traut den Apotheken eine sehr maßgebliche Rolle zu. „Die fortlaufende Pflege eines standardisierten Medikamentenplans in Zusammenwirken mit den behandelnden Ärzten ist sicher mit Aufwand verbunden. Eine moderne Apotheke wird diesen Service allein schon deshalb unterstützen, weil er eine möglichst sichere Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln ermöglichen soll.“

Im Jahr 2016 hat die Institution schon rund 94.000 Beratungen verzeichnet. Die Zahl wird nach den Worten des Sprechers in diesem Jahr bei Weitem übertroffen. „Wir dokumentieren fortlaufend die in der Beratung angesprochenen Probleme und Anfragen der Ratsuchenden. So können die Beratungsinhalte für Rückmeldungen an die Akteure des Gesundheitswesens genutzt werden.“ Für das vergangene Jahr wurde auf dieser Basis der Monitor Patientenberatung vorgelegt.

Objektiv seien die Daten nicht, da sie nur die Sichtweise der Ratsuchenden widerspiegelten und sich naturgemäß eher Unzufriedene an die Berater wenden. „Der Monitor kann aber gute Anhaltspunkte dafür geben, wie Patienten, Versicherte und Angehörige etwa von Pflegebedürftigen das Gesundheitssystem erleben und was getan werden müsste, um es in ihrem Sinne zu verbessern.“

Noch sei der Bekanntheitsgrad der UPD nicht sehr hoch, räumt der Sprecher ein. „Aber wenn man etwa im Internet nach qualifizierter Beratung sucht, wird man uns finden. Wir sind optimistisch, dass wir bekannter werden, weil uns zufriedene Ratsuchende weiterempfehlen werden.“

90 Prozent der Anfragen entfalle auf die gebührenfreie Telefonberatung unter der Rufnummer 0800 0117722. „Das ist durchaus so gewollt. Damit uns auch Berufstätige erreichen können, halten wir lange Sprechzeiten an 80 Stunden in der Woche montags bis freitags von 8 bis 22 Uhr und samstags von 8 bis 18 Uhr bereit.“

„Das erste Modellprojekt einer unabhängigen Patientenberatung gab es in Zürich bereits in den 1970er-Jahren. Hier in Deutschland haben lokale Initiativen etwa in Hamburg, München, Bielefeld oder Köln erste Angebote geschaffen“, erläutert Ohlendorf. „Ab der Jahrtausendwende hat eine Institutionalisierung und Professionalisierung der Beratung eingesetzt.

Aus einem Modellprojekt 2001 entstand 2011 die Unabhängige Patientenberatung. Sie wurde damals von der Verbraucherzentrale Bundesverband, dem Verbund unabhängige Patientenberatung und Sozialverband VdK betrieben.“
Doch die Bundesregierung wollte ein Beratungsangebot schaffen, das noch mehr Menschen erreicht. In einer europaweiten Ausschreibung um das beste Konzept hat sich die heutige UPD Patientenberatung Deutschland gGmbH durchgesetzt. Für sieben Jahre sind zunächst die Projektmittel bewilligt.

„Unser Auftrag beschreibt die zwei Seiten einer erfolgreichen Patientenberatung. Zum einen soll die individuelle Gesundheitskompetenz der Ratsuchenden in medizinischen und sozialrechtlichen Fragen gestärkt werden. Zum anderen soll die Dokumentation der Fragen und Probleme der Ratsuchenden in einem jährlichen Monitor dazu beitragen, das deutsche Gesundheitswesen selbst noch patientenorientierter zu machen.

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