Medizinforschungsgesetz

Lauterbachs Import/Export-Verhinderungsgesetz

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Berlin -

Mit dem Medizinforschungsgesetz (MFG) soll Deutschland für die Pharmaindustrie attraktiver gemacht werden – und zwar nicht nur als Forschungsstandort, sondern auch als Absatzmarkt. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) planen Maßnahmen, die auch zu Lasten der Beitragszahler gehen.

„Die zwischen pharmazeutischen Unternehmen und dem GKV-Spitzenverband verhandelten Erstattungsbeträge für patentgeschützte Arzneimittel sind öffentlich zugänglich. Aufgrund der internationalen Referenzwirkung des deutschen Erstattungsbetrags kann die erforderliche Flexibilität der Verhandlungspartner bei den Erstattungsbetragsverhandlungen eingeschränkt werden“, heißt es im Entwurf.

Um die Attraktivität des deutschen Arzneimittelabsatzmarktes sicherzustellen, sollen die Hersteller die Möglichkeit erhalten, vertrauliche Erstattungsbeträge bei Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu vereinbaren. „Die Vertraulichkeit gilt bis zum Wegfall des Unterlagenschutzes.“

Vertraulich heißt allerdings nicht geheim, so sollen die Firmen den vereinbarten Preis gegenüber Anspruchsberechtigten wie Selbstzahlern, PKVen oder Kliniken mitteilen und die Differenz zum tatsächlich gezahlten Abgabepreis ausgleichen. Dazu muss der Erwerb des Arzneimittels gegenüber dem GKV-Spitzenverband nachgewiesen werden; dieser kümmert sich dann um die Erstattung durch den Hersteller innerhalb von zehn Tagen. Der Nachweis kann nicht durch Apotheken oder den Großhandel geltend gemacht werden.

Alleine für das Verfahren rechnet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) beispielsweise bei 40 Neueinführungen mit einem durchschnittlichen Erfüllungsaufwand je Krankenkasse in Höhe von rund 80.000 Euro und damit für alle Krankenkassen rund 7,7 Millionen Euro alleine im ersten Jahr.

Keine Importe ...

Die tatsächlichen Kosten für die GKV dürften deutlich höher sein. Denn die betroffenen Präparate sind von der Verpflichtung der Apotheken zur Abgabe preisgünstiger importierter Arzneimittel nach § 129 Absatz 1 Nummer 2 SGB V ausgenommen. „Da in diesem Fall der Erstattungsbetrag in den allgemein verwendeten Verzeichnissen auch den Apotheken nicht zugänglich ist, können diese nicht prüfen, ob preisgünstigere importierte Arzneimittel zur Verfügung stehen.“

Damit fallen nicht nur die günstigeren Importe weg, sondern auch der Preisdruck, den diese Präparate auf die Originalhersteller ausüben. Unklar ist, wie mit der Differenz umgegangen wird, wenn Apotheken trotzdem Importe abgeben und diese teurer als das Original sind. Theoretisch müssten dann der Parallelimporteur für den Betrag gerade stehen – nur kann der bei seiner Preisbildung den vereinbarten Preis ja noch gar nicht kennen.

... und keine Exporte mehr

Andererseits ist Deutschland bei vielen innovativen Arzneimitteln gar kein Import-, sondern ein Exportmarkt. Daher soll soll mit der neuen Regelung vor allem der Abfluss von Ware erschwert werden. Denn Deutschland ist derzeit bei neuartigen Wirkstoffen ein wichtiges Einkaufsland. In Zukunft werden die Präparate zu einem fiktiven Preis verkauft, den die Hersteller dann erst im Nachhinein ausgleichen. Die Preisdifferenz wird dadurch ausgehebelt, ein Weiterverkauf also faktisch verhindert.

Das wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die EU auf den Plan rufen. Dass auch die Handelsspannen von Apotheken und Großhändlern – analog zu den Rabattverträgen – anhand von fiktiven höheren Listenpreisen gebildet werden, nimmt man ebenfalls in Kauf, um multinationalen Pharmakonzernen entgegenzukommen.

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