DAV-Wirtschafsforum

Hubmann: Engpässe nicht mehr zu bewältigen

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Berlin -

Dr. Hans-Peter Hubmann, kommissarischer DAV-Vorsitzender, warnt davor, dass die Lieferengpässe in Apotheken eskalieren: „Die Apotheken können die Lieferengpässe auf Dauer nicht mehr bewältigen“, sagte er in seinem politischen Lagebericht beim Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands (DAV).

Die kurzfristige Aufhebung von Festbeträgen könne die Abwanderung der Produktion ins Ausland sicher nicht zurückbringen. Leider sei eine Entspannung der Lage nicht in Sicht. Ganze Arzneimittelgruppen fehlten, besonders kritisch sei die Lage bei Antibiotika. In einem hochentwickelten Land wie Deutschland dürfe Scharlach nicht wieder zu einer ernsten Gefahr für Kinder werden. Das Ziel der Apotheken sei, dass kein Patient die Apotheke ohne sein Arzneimittel verlassen muss. Hubmann lud Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) – dem er Realitätsverlust attestierte – ein, einen Tag in der Apotheke zu verbringen, um „des Lebens graue Wirklichkeit“ zu sehen.

Kurz vor Ostern sei man nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. Dafür dankte Hubmann den Parlamentariern. Aber die Regeln müssten verstetigt werden, eine Verlängerung bis zum Sommer reiche nicht. Ab August sei dann eine abgespeckte Version der Austauschregeln vorgesehen. Damit werde die Abgabe wieder deutlich erschwert. „Ich frage mich schon, was wichtiger ist: die schnelle Versorgung der Patienten oder Kostenoptimierung?“, so Hubmann. Die Apotheken hätten während der Pandemie der Erleichterungen nicht ausgenutzt.

Die bewusste Verharmlosung der Situation bei den Lieferengpässen sei enttäuschend, richtig wütend mache ihn die Geringschätzung der Apotheken in Form der vorgesehenen 50 Cent Vergütung. „Das Gesetz muss nachgebessert werden!“ Hubmann forderte erweiterte Austauschregeln, ein Retaxverbot, das Recht auf eine Rezepturherstellung ohne neues Rezept und einen zweistelligen Eurobetrag als Entschädigung.

Die Kritik der Ärzteschaft an den erleichterten Abgaberegeln kann Hubmann nicht verstehen. Die politischen Vertreter:innen wüssten wohl nicht, was ansonsten in den Praxen los wäre. Die Berufsgruppen sollten sich lieber gemeinsam für ein Medikationsmanagement einsetzen.

Tatsächlich sieht Hubmann eine „Auszehrung der Gesundheitsberufe“ insgesamt. „Wir alle stehen vor ähnlichen Herausforderungen.“ So müsse die Krankenhausreform auf den ambulanten Sektor ausgeweitet werden, denn Patientenversorgung sei mehr als Krankenhausversorgung.

Hubmann kritisierte, dass Milliarden zur Rettung von Konzernen ausgegeben würden, während im Gesundheitssystem jeder Cent umgedreht werde. Das Gesundheitssystem habe ebenso Einfluss auf die Wirtschafts: „Ohne gesunde Arbeiter gibt es keine Produktion“, so Hubmann.

Seit 2008 nehme die Zahl der Apotheken kontinuierlich ab, zum Ende des ersten Quartals 2023 lag sie unter 18.000. Die Rahmenbedingungen müssten sich ändern. Immer weniger junge Pharmazeut:innen gingen in die Selbstständigkeit, die „überbordende Bürokratie“ schrecke den Nachwuchs ab: „Dafür haben wir nicht Pharmazie studiert“, so Hubmann. Zumal der demographische Wandel nicht halt mache vor den Apotheken.

Hubmann ging noch auf die großen anderen Forderungen der Apotheken ein:

  • Nullretaxation der Krankenkassen bezeichnete er als „Zechprellerei“, die nicht zu Zusatzeinnahmen der Krankenkassen führen dürfte. Die Apotheken müssten sich darauf verlassen können, dass ein abgegebenes Arzneimittel auch vergütet werde.
  • Die Haftung für den Herstellerrabatt sei eine weitere systematische Fehlregelung“. Jede Apotheke hafte im Durchschnitt für 105.000 Euro
  • Präqualifizierung für die Abgabe von Hilfsmitteln sei eine „bürokratische Zumutung“, die abgeschafft gehöre. „Die Apotheken sind hochqualifiziert“, so Hubmann.

Der DAV-Chef erinnerte daran, dass die Erhöhung des Kassenabschlags allein im Februar jede Apotheke im Durchschnitt 900 Euro gekostet habe. Aus seiner Sicht genau der falsche Weg, die Apotheken forderten nachdrücklich eine Erhöhung von 8,35 auf 12 Euro.

Das Honorar für die pharmazeutischen Dienstleistungen dürfe dabei nicht verrechnet werden. Denn das sei ein neues Honorar für neue Leistungen. In den pDL sieht Hubmann die Zukunft: Die Apotheker würden damit erstmals „vom Leistungserbinger zum Leistungsauslöser“.

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