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Durchgriff der Kettenkonzerne

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Anne Markestad, Präsidentin des norwegischen Apothekerverbandes, hat beim Deutschen Apothekertag über die Folgen der Liberalisierung in ihrem Heimatland berichtet. Demnach stehen den positiven Entwicklungen wie verlängerten Öffnungszeiten oder einer höheren Apothekendichte eine massive Beeinflussung der Apotheker durch die Kettenkonzerne und eine auf Profit ausgerichtete Versorgung gegenüber.

Die Liberalisierung im Jahr 2001 habe Norwegen „wie einen Tsunami“ getroffen, berichtete Markestad. Heute seien nur noch 22 der 622 Apotheken vollständig unabhängig, der überwiegende Teil sei in der Hand der drei großen Kettenbetreiber. Der Durchgriff der Konzerne auf die einzelne Apotheke ist Markestad zufolge enorm: So hätten angestellte Apotheker aufgrund der enormen Standardisierung kaum noch Einfluss auf die Auswahl der Arzneimittel. Die Mitarbeiter würden zudem dazu angehalten, möglichst viele Zusatzverkäufe zu tätigen: „Zu jedem eingelösten Rezept sollen die Angestellten ein Kosmektikum anbieten“, beschrieb Markestad die Situation.

Die Werbung der Kettenbetreiber sei dabei vor allem auf junge und kaufkräftige Frauen ausgerichtet und nicht auf durchschnittliche Apothekenkunden. Bei einer der drei großen Apothekenketten mussten alle Mitarbeiter in der Vorweihnachtszeit ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Fragen Sie mich nach Ihrem Weihnachtsgeschenk“ tragen und so auf die Aktion der Kette hinweisen. „Die Apotheker, die ich vertrete, würden lieber ein T-Shirt mit der Aufschrift: 'Fragen Sie mich zu Ihren Medikamenten' tragen“, kommentierte Markestad.

Positiv bewertete Markestad, dass sich die durchschnittlichen Öffnungszeiten der Apotheken mit der Liberalisierung deutlich verlängert hätten. Auch sei eine flächendeckende Versorgung gewährleistet. Die gesunkenen Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel sind laut Markestad hingegen auf staatliche Regulierungen und nicht auf die Liberalisierung zurückzuführen. Im Gegenteil: „Es gibt derzeit absolut keinen Preiswettbewerb in Norwegen“, so Markestad.

Die norwegische Regierung reagierte im Jahr 2003 mit der Entlassung etlicher OTC-Präparate aus der Apothekenpflicht. Und der Staat plane weitere Arzneimittel, etwa Allergiepräparate, Protonenpumpenhemmer oder „die Pille danach“, aus der Apothekenpflicht zu entlassen. Dabei werden Markestad zufolge bereits heute 40 Prozent aller OTC-Arzneimittel außerhalb der Apotheke abgegeben - „völlig ohne Beratung“.

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Umfassende Informationen zur Liberalisierung in Norwegen liefert das Dossier „Der Fall Norwegen“. Der Achtseiter beschreibt ausführlich die Entwicklung des norwegischen Apotheken- und Pharmamarktes vor, während und nach dessen Liberalisierung vor rund sechs Jahren. Die Redaktion von APOTHEKE ADHOC führte zahlreiche Interviews mit norwegischen Apothekern, Patienten, sprach mit Ökonomen, Wettbewerbshütern und der Politik.

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