Kommentar

Nach Berlin-Wahl: Apotheker zwischen den Fronten

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Berlin -

Zum vierten Mal in Folge nach Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern haben Union und SPD bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus herbe Verluste einstecken müssen. In Berlin blieb die SPD zwar stärkste Partei, aber mit dem niedrigsten Ergebnis aller Zeiten in der Stadt von Willy Brandt. Die CDU von Angela Merkel holte ebenfalls ihr historisch schlechtestes Ergebnis. In der Bundeshauptstadt stehen die Zeichen jetzt auf Rot-Rot-Grün. Damit steigen Wahlkampffieber und Nervosität in der Großen Koalition. Das Regieren wird für Angela Merkel noch komplizierter. Auch die offenen Gesundheitsgesetze geraten zwischen die Fronten. Ob die Apotheker ihre 100 Millionen Euro Honorarerhöhung erhalten, steht mehr den je in den Sternen. Ein Kommentar von Lothar Klein.

Nach dem vorläufigen Ergebnis erreichte die SPD 21,6 Prozent (2011: 28,3). Die Union kam mit 17,6 Prozent auf Platz zwei (2011: 23,3). Die Linkspartei landete mit 15,6 Prozent auf Platz drei (2011: 11,7) und überflügelte knapp die Grünen, die auf 15,2 Prozent kamen (2011: 17,6). Die FDP kehrt mit 6,7 Prozent ins Parlament zurück (2011: 1,8). Erwartungsgemäß flogen die Piraten mit 1,7 Prozent (2011: 8,9) raus. Die AfD holte 14,2 Prozent und sitzt nun in 10 von 16 Landesparlamenten.

Obwohl die SPD auch mit CDU und Grünen oder CDU und FDP regieren könnte, stehen die Zeichen auf Rot-Rot-Grün. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat bereits seine Vorliebe für eine Koalition mit den Grünen und der Linkspartei deutlich gemacht. Damit fällt ein Jahr vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 der Startschuss für den Lagerwahlkampf auch auf Bundesebene.

Das Regieren in der Großen Koalition von Angela Merkel wird noch komplizierter. Sowohl in der SPD als auch in der Union sorgt das Wahlergebnis für neue Kontroversen. Nicht nur die CSU fühlt sich in ihrer Kritik an Merkels Kurs in der Flüchtlingspolitik bestätigt. Der Machtkampf zwischen den Rivalen Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer wird dadurch befeuert. Und in der SPD wird sich die Linke noch stärker als bisher in Szene setzen.

Auf dieser Basis lassen sich auch in der Gesundheitspolitik nur noch schwer Kompromisse schließen. Die Zukunft der noch nicht verabschiedeter Gesetze ist ungewiss: Vor allem das Pharmadialog-Gesetz mit dem für die Apotheker zugesagten 100 Millionen Euro Honorarplus für Rezepturen und BtM-Rezepte steht auf der Kippe. Nicht die Honorarerhöhung an sich ist umstritten. Es geht um die Zugeständnisse an die Pharmaindustrie.

Die erstarkte SPD-Linke widersetzt sich dem mit aller Kraft. Das „Njet“ von Fraktionsvize Professor Dr. Karl Lauterbach (SPD) zur Vertraulichkeit der Erstattungspreise hat jetzt noch mehr Gewicht und steht im krassen Widerspruch zur industriefreundlicheren Position von Parteichef, Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) lässt den Entwurf des Pharmadialog-Gesetzes bereits für den anstehenden Kabinettsbeschluss überarbeiten. Dem Vernehmen nach soll die Neufassung an einigen Stellen den Wünschen der Pharmaindustrie entgegenkommen. Die Hersteller sollen unter anderem beim neuen Arzneimittel-Informationssystem für die Ärzte mitreden dürfen. Das gefällt weder den SPD-Linken noch den Krankenkassen. Kompromisse lassen sich so nur schwer finden.

Schon heute kommt es beim SPD-Parteikonvent zum umstrittenen Freihandelsabkommen Ceta zum Kräftemessen zwischen der Parteilinken und Gabriel. Verliert Gabriel die Abstimmung, droht der SPD eine noch größere Zerreißprobe – Ausgang offen.

Auch in der Union verstärkt sich nach der Berlin-Wahl die Unruhe. Der selbstzerstörerische Streit über Merkels Flüchtlingspolitik strahlt weit darüber hinaus. Verunsicherte Unions-Abgeordnete müssen um ihre Mandate fürchten. Die Union ist nur noch in sechs Ländern an der Regierung beteiligt. Wie lange kann Angela Merkel CDU und CSU noch zusammenhalten? Die Nachfolgediskussion hat längst begonnen und lähmt die Regierungsarbeit.

Das politische Szenario für sachorientierte Gesundheitspolitik ist daher denkbar ungünstig. In den nächsten Monaten bis zum Jahresende müssen trotzdem wichtige Entscheidungen fallen. In angespannter Zeit kommt Gesundheitsminister Gröhe Mitte Oktober zum Deutschen Apothekertag (DAT). Das Grußwort aus den Berliner Politikschlamassel könnte diese Jahr spannend werden als viele zuvor.

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