Interview Kai-Peter Siemsen

„Wir sind hier nicht in einer Talk-Show“

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Berlin -

Die Mitgliederversammlug der ABDA wählt am 7. Dezember einen neuen Präsidenten. Kandidat Kai-Peter Siemsen wirft dem amtierenden ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt im Interview mit APOTHEKE ADHOC Führungsschwäche vor: Schmidt sei zwar ein „brillanter Redner“, es müssten aber Konsequenzen und Handlungen folgen. „Wir sind hier nicht in einer Talk-Show“, so Siemsen. Schmidt agiere „wie ein Moderator“, gefragt seien aber Führungsqualitäten: „Das Ehrenamt muss die politische Führung der ABDA prägen“, so der Kandidat. Es müsse es klarere Vorgaben geben. Siemsen: „Mein Eindruck ist aber, dass dort manchmal die Orientierung fehlt.“

ADHOC: Wie ist es Ihnen seit der Ankündigung Ihrer Kandidatur ergangen? Mehr Zustimmung oder mehr Kritik?
SIEMSEN: Ich bin mit meiner Kandidatur mehrheitlich auf große Sympathie gestoßen. Teilweise waren die Reaktionen sogar euphorisch. Negative Reaktionen habe ich nur wenige erlebt. Es gab überwiegend Ermunterung zur Kandidatur. Die Mitgliedsorganisationen haben jetzt am 7. Dezember eine echte Wahl. Und die damit angestoßene Diskussion empfinden viele meiner Kollegen als Bereicherung.

ADHOC: Sie haben Ihre Kandidatur mit Unzufriedenheit über die Arbeit und Amtsführung von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt begründet. Um welche Punkte geht es dabei konkret?
SIEMSEN: Friedemann Schmidt ist sicher ein brillanter Redner. Von den 34 Kammerpräsidenten und Verbandsvorsitzenden ist er sicher rhetorisch und inhaltlich der brillanteste Repräsentant der Apotheker. Aber es folgt nichts daraus. Und das ist das Problem. Seine Rede beim letzten Apothekertag war hervorragend. Ich kann mich auch mit den Inhalten voll identifizieren. Aber einer Rede müssen Konsequenzen und Handlungen folgen. Sonst macht das keinen Sinn. Wir sind hier nicht in einer Talk-Show. Die Inhalte einer Rede müssen auch umgesetzt werden.

ADHOC: Vermissen Sie Führungsqualitäten?
SIEMSEN: Zunächst einmal muss der ABDA-Präsident den politischen Forderungen in einer breiten Öffentlichkeit Gehör verschaffen. Den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses sind unsere langjährigen Honorarforderungen zwar bekannt. Aber viele Parlamentarier auf Landes- und Bundesebene kennen die wirtschaftlichen Probleme der Apotheken nicht. Auch wenn klar ist, dass wir gegenwärtig keine Honorarerhöhung erwarten können, müssen wird doch immer wieder unsere Forderungen lautstark in die Öffentlichkeit tragen.

ADHOC: Kommt Ihnen Friedemann Schmidt zu konziliant daher?
SIEMSEN: Friedemann Schmidt agiert wie ein Moderator. Aber gefragt sind Führungsqualitäten. Ein ABDA-Präsident muss vorangehen und Vorkämpfer sein. Es geht dabei nicht nur um die Ansprache der Politik. Es geht auch um unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Mir ist schon klar, dass die Honorarfrage mit dem Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums bis zur nächsten Bundestagswahl vertagt ist. Aber unsere Apotheker an der Basis möchten das Gefühl haben, dass die ABDA für sie kämpft. Aus meiner Sicht agiert die ABDA mit zu großer diplomatischer Vorsicht. Da entsteht manchmal der Eindruck, die ABDA sitzt in einem Elfenbeinturm. Da müssen wir raus.

ADCOH: Sie wollen die Nähe zur Basis suchen, mit den Mitgliedsorganisationen kuscheln?
SIEMSEN: Es geht nicht ums Kuscheln. Die Mitgliedsorganastionen sind in der ABDA nicht mehr gefragt, können bei der politischen Ausrichtung zu wenig mitbestimmen. Ich habe beispielsweise vorgeschlagen, auf einer Klausurtagung die zentralen politischen Fragestellungen zu diskutieren und daraus einen politischen Forderungskatalog für die Bundestagswahlen im Herbst 2017 zu formulieren. So machen das andere Interessengruppen doch auch. Die Bundestagsparteien werden ihre Wahlprogramme zum Jahresende beschließen. Die Klausurtagung soll jetzt Anfang nächstes Jahr stattfinden, nach den ABDA-Wahlen. Das zeigt doch, dass man bei der ABDA keine Debatten will, weil dabei auch Personen eine Rolle spielen könnten. Das ist aber zu spät. Dann hecheln die Apotheker wieder hinter der Zeit her.

ADHOC: Sind Sie auf Streit aus?
SIEMSEN: Inhaltlicher Streit ist doch kein Problem, ganz im Gegenteil. Ich wünsche mir ein streitiges und diskussionsfreudiges Klima in der ABDA. Wir müssen die zentralen Zukunftsthemen für die Apotheker und unsere Forderungen offen diskutieren können. Warum sollen wir nicht darüber streiten und am Ende Kompromisse finden? Das ist doch ein demokratischer Prozess und kein Angriff auf die ABDA oder die handelnden Personen.

ADHOC: Warum konnten Sie sich mit ihrem Vorschlag nicht durchsetzen?
SIEMSEN: Hier hätte Friedemann Schmidt ein Zeichen setzen können. Das hat er nicht getan. Sie sehen doch, dass sich in den Mitgliedsorganisationen Frust breit macht. Dass die Kammer Nordrhein zum DAT keinen Antrag stellt, ist nur ein Signal. Dass Brandenburg seine Beitragszahlungen kürzt, ebenfalls. Ich halte das zwar nicht für richtig. Aber wir müssen doch die Unzufriedenheit wahrnehmen. Daran muss sich etwas ändern.

ADHOC: Wie würden Sie als ABDA-Präsident agieren?
SIEMSEN: In den meisten inhaltlichen Fragen bin ich mit Friedemann Schmidt doch einer Meinung. Wir haben viel erreicht und mit unserer Lobbyarbeit viel erhalten. Ich will auch die ABDA-Strukturen nicht vom Kopf auf die Füße stellen. Aber wir müssen mehr miteinander diskutieren. Noch einmal zu meinen Vorschlag einer Klausurtagung: Dort hätten wir darüber sprechen können, was ist gut gelaufen, wo müssen wir besser werden. Jede Mitgliedsorganisation hat ihre eigenen Erfahrungen und spezielles Wissen. Das kann man doch nutzen.

ADHOC: Welche Themen werden Sie als ABDA-Präsident stärker in den Vordergrund rücken?
SIEMSEN: Wir müssen uns intensiver um die anstehenden Veränderungen in einem digitalisierten Gesundheitswesen kümmern. Wir sind zwar mit dem Aufbau eines apothekeneigenen Intranets auf dem richtigen Weg. Damit werden wir sogar besser sein als die Ärzte mit ihrem KV-Safe-Net. Aber wir sollten auch mal über den Tellerrand schauen. Was bereiten Firmen wie Google, Apple und Microsoft vor? Wohin geht die Reise bei der Digitalisierung? Jede Menge Apps kommen auf den Markt. Wie wirkt sich die nicht aufzuhaltende Entwicklung auf die Apotheke aus? Ich bin sicher, dass eine Apotheke in 15 Jahren ganz anders aussieht als heute. Wir wissen aber noch viel zu wenig darüber. Damit müssen wir uns intensiv beschäftigen. Was bedeutet das für die Vernetzung mit Ärzten, Krankenhäusern und anderen Heilberufen? Welche Anforderungen stellen neue Therapien beispielsweise in der Onkologie an uns als Arzneimittelexperten?

ADHOC: Das ist dann doch ein Kontrastprogramm...
SIEMSEN: Klar will ich einiges besser, einiges anders machen als Friedemann Schmidt. Und auch weitere inhaltliche Schwerpunkte setzen. Das Ehrenamt muss die politische Führung der ABDA prägen. Das Hauptamt die Umsetzung übernehmen. Da muss es klarere Vorgaben geben. Das Hauptamt verrichtet hervorragende Arbeit. Mein Eindruck ist aber, dass dort manchmal die Orientierung fehlt.

ADHOC: Sie wollen die Chefrolle ausfüllen?
SIEMSEN: Als erstes bin ich einige Zeit mit mir selbst in Klausur gegangen und habe mir viele Gedanken dazu gemacht. Dann habe ich zunächst mit meiner Frau und Familie gesprochen und mir deren Zustimmung eingeholt. Erst danach habe ich die neue Aufgabe in meiner Apotheke und natürlich in der Hamburger Apothekerkammer abgeklärt, um dann Friedemann Schmidt über meine Kandidatur zu informieren.

ADHOC: Wie schätzen Sie heute Ihre Chancen ein?
SIEMSEN: Ich erfahre sehr viel Sympathie und Respekt für meine Kandidatur. Ob sich aus dieser Stimmung aber eine Mehrheit am 7. Dezember ergibt, vermag ich nicht zu sagen. Es wird ein enges Rennen auf Augenhöhe geben. Ich weiß viele Kammern und Verbände hinter mir. Entscheiden werden aber die großen Mitgliedsorganisationen aus Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Dort müssen zunächst Gremienentscheidungen für die ABDA-Wahl getroffen werden. Das müssen wir abwarten. Ich rechne mit einen Ergebnis 60 zu 40 – für Friedemann Schmidt oder mich. Klar, über eine Niederlage wäre ich enttäuscht. Aber in einer demokratischen Wahl zu unterliegen, ist keine persönliche Niederlage. Meine Kandidatur hat ja bereits positive Anstöße in die ABDA getragen.

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