Kommentar

Frischer Wind im Honoratiorenclub

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Berlin -

Am 7. Dezember wählt die ABDA-Mitgliederversammlung ihren neuen Präsidenten. Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen tritt gegen Amtsinhaber Friedemann Schmidt an. Das allein bringt Unruhe und frischen Wind in die eingefahrene Standespolitik. In den kommenden Wochen und Monaten müssen sich die Mitgliedsorganisationen für einen Kandidaten entscheiden. Der kommende Apothekertag bietet Gelegenheit, die beiden Kandidaten unter die Lupe zu nehmen. Ein Kommentar von Lothar Klein.    

Gemeckert und gemosert wird immer. Besserwisserei gibt es überall. Das ist nicht nur das Schicksal von (Noch?)-ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Die einen ziehen sich schmollend zurück, drohen mit dem Ausstieg aus dem Honoratiorenclub und verzichten trotzig auf Anträge zum Apothekertag. Andere kürzen der ABDA ihre Beiträge und geben so den Protest mit Nadelstichen zu Protokoll. Mit Kai-Peter Siemsen wirft jetzt jemand seinen Hut gegen das ABDA-Establishment in den Ring. Alleine das ist schon mal eine erfrischende Reaktion. Es gibt eine echte Wahl um das Führungsamt der Apothekerschaft. Damit sind Mauscheleien um Posten und Einfluss vorerst perdu.

Ob der Hamburger Kammerpräsident eine echte Alternative und mehr ist als eine volkstümliche Ausgabe von Friedemann Schmidt muss sich aber noch erweisen. Auch der amtierende ABDA-Präsident stand zu Beginn seiner Amtszeit für mehr Transparenz und Offenheit, wollte die Stimme der Apothekerschaft über das berufspolitische Maß hinaus zu Gehör bringen. Dass daraus nichts geworden ist, liegt nicht allein an Friedemann Schmidt. Gegen das Hauptamt im Apothekerhaus hat sich der zwar redegewandte aber durchsetzungsschwache ABDA-Präsident nicht behaupten können. Nach ein paar missverständlichen öffentlichen Äußerungen hat sich auch Schmidt rasch hinter die dicken Mauern des Apothekerhauses zurückgezogen und eingeigelt.

Für einen selbstgefälligen Rückblick auf seine Amtszeit gibt es daher keinen Anlass. Die Kernfrage der Zukunft des Apothekenhonorars ist offen. Die jetzt von der Politik versprochenen 100 Millionen Euro für Rezeptur und BtM sind besser als nichts, aber weniger als notwendig gewesen wäre.

Das Perspektivpapier 2030 als Highlight der Amtszeit zu feiern, hält einer kritischen Betrachtung nicht Stand. Mit dem Beschwören von Selbstverständlichkeiten wie der qualitativ hochwertigen Beratung kann die Apothekerschaft die Zukunft weder gestalten noch gewinnen.

Dass die Große Koalition beim Medikationsmanagement den Ärzten die Führerschaft übertragen hat, ist hingegen eine schwerwiegende Niederlage für den Berufsstand. Mehr noch: Um die Apothekerschaft herum explodiert der digitale Fortschritt. In Kürze kommt ein USB-Stick auf den Markt, der mit Speichel die DNA analysieren kann. Die Onkologie steht steht vor technischen und therapeutischen Revolutionen, die die Rolle der Ärzte ebenso verändern wird wie die der Apotheker. Wo aber mischt da die ABDA mit? Im Perspektivpapier findet sich so gut wie nichts zur Zukunft von E-Health in der Pharmazie. Das ist ein folgenschweres Versäumnis.

Schön und gut: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot und das Apothekenmonopol konnte die ABDA eine weitere Amtszeit eines Präsidenten verteidigen. Darauf kann man bauen. Aber wer nur die Vergangenheit verwaltet, kann die Zukunft nicht gewinnen. Vermisst werden in der Politik seit Langem Vorschläge und Ideen, wie die Arzneimittelversorgung in ländlichen Regionen gesichert werden kann. Wer für Zukunftsfragen keine Lösungen anbieten kann oder will, stellt sich selbst infrage.

Es gibt also viel zu tun für den neuen oder neuen-alten ABDA-Präsidenten. In welche Richtung soll sich beispielsweise der Apotheker entwickeln? Als Schubladenzieher wird er nicht gebraucht. Das können Automaten längst genauso gut. Vernetzung, Big Data lauten die Schlagworte in der gesamten Gesundheitsbranche. Die Ärzte verfügen immerhin über eine eigene IT-Infrastruktur. Die Apotheker basteln noch daran.

Die Kandidatur von Kai-Peter Siemsen bringt jetzt immerhin Unruhe und frischen Wind in selbstgefällige ABDA-Lethargie. Der kommende Apothekertag wird eine andere Dynamik entfalten als seine vielen Vorgänger. Das Schaulaufen der Kandidaten hat begonnen. Daran anknüpfen sollten sich Diskussion über Inhalte, Konzepte und Zukunftsfragen. Auch Kai-Peter Siemsen sollte sich klar machen, in welche Richtung er den Berufsstand führen will. Mit mehr Nähe zu den Mitgliedsorganisationen allein ist es nicht getan. Offene Ohren für die Kollegen an der Basis ist ein guter Ansatz, aber nicht genug.

Die Apotheker benötigen einen ABDA-Präsidenten, der den Berufsstand und seine Bedeutung für das Gesundheitswesen auf positive Weise verkörpert und ihm Respekt verschafft – gegenüber der Politik, gegenüber den Krankenkassen und den Medien. Der oberste Repräsentant darf sich nicht scheuen, die Öffentlichkeit zu suchen und von den Qualitäten der Apotheker zu überzeugen.

Friedemann Schmidt hatte die Möglichkeiten und die Gelegenheiten dazu. Ob er sie genutzt hat und eine zweite Chance verdient, muss jede Wahlfrau, jeder Wahlmann am 7. Dezember für sich beurteilen. Kai-Peter Siemsen jedenfalls bringt für diesen Auftrag ebenfalls die richtige Statur mit.

Es wird eine Wahl auf Augenhöhe. Und der Gewinner hat vor allem einen Auftrag: Er muss die ABDA aus ihrem Schneckenhaus herausführen.

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