Beschaffungskriminalität

Dealer auf Einkaufstour in Apotheken

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Berlin -

Um an Pseudoephedrin zur Herstellung von Metamphetamin („Crystal“) zu gelangen, haben Drogenköche aus Tschechien in den vergangenen Jahren immer wieder Apotheken in Bayern und Tschechien als Bezugsquelle genutzt. Die Pharmazeuten haben mittlerweile Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Trotzdem ist die ungewollte Kundschaft für die Apotheker im Grenzgebiet ein Problem.

 

Seit 2009 dürfen tschechische Apotheken maximal 24 Tabletten pro Person und Woche abgeben; die Käufer müssen sich ausweisen. Diese Regelung hatte dazu geführt, dass sich Drogenköche im großen Stil in Deutschland mit Rhinopront, Reactine Duo und anderen pseudoephedrinhaltigen Präparaten eindeckten.

Seit Mai vergangenen Jahres sind auch hierzulande Arzneimittel mit einer Wirkstoffmenge von mehr als 720 Milligramm pro Packung verschreibungspflichtig. Die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) hat seitdem einen deutlichen Rückgang verdächtiger Ankäufe ausgemacht: „Seit Einführung der Verschreibungspflicht liegen uns keine neuen Fälle vor“, sagt Dr. Volker Schmitt, der Geschäftsführer der Kammer.

Das bayerische Landeskriminalamt teilt diese Einschätzung: „In den vergangenen sechs Monaten hatten wir keinen einzigen Fall von auffälligen Mengen an Pseudoephedrin“, sagt Fahndungsgruppenleiter Konrad Freimuth. „Die Hersteller in Tschechien greifen nach unseren Erkenntnissen immer häufiger auf Bezugsquellen in Osteuropa zurück“, erklärt der Drogenfahnder.

 

 

Allerdings muss Freimuth einräumen, dass es Lücken gibt: „Selbst wenn wir verdächtige Mengen konfiszieren, können sich die Besitzer ihre Medikamente theoretisch wieder abholen. Schließlich ist der Besitz nicht strafbar. Allerdings macht das niemand, der etwas zu verbergen hat."

Anders als in Bayern sieht man die Lage in Sachsen: Tobias Hückel, der stellvertretende Geschäftsführer der Sächsischen Landesapothekerkammer (SLAK), kann zwar die Erfahrungen seiner bayerischen Kollegen prinzipiell bestätigen. Er sieht darin aber Hinweise auf neue Strategien: „Die Zahl von Einkäufen pseudoephedrinhaltiger Arzneimittel im großen Stil ist zwar rückläufig. Dafür beobachten wir, dass Besucher aus Tschechien viele kleine Einkäufe tätigen.“

Bundeskriminalamt und Zollkriminalamt verweisen auf Nachfrage zurück an die Landeskriminalämter. Dort hatte man in Abstimmung mit den Apothekerkammern mehrfach auf die missbräuchlichen Einkäufe hingewiesen. Die Apotheker seien weiterhin angehalten, verdächtige Einkäufe zu melden. Dass Apotheker das Geschäft trotzdem mitnehmen, konnten die Ermittler nicht bestätigen.

 

 

Gerda Baumann, die Inhaberin der Marien-Apotheke in Jöhstadt, schildert ihre Erfahrungen: „Es ist schon oft vorgekommen, dass mehrere Tschechen nacheinander in meine Apotheke kamen und nach Rhinopront oder Reactine Duo verlangten. Zwar handelte es sich nicht um riesige Mengen, aber ich habe trotzdem gesagt, dass ich nichts vorrätig habe, und sie weggeschickt.“

Ein Apotheker aus Annaberg berichtet, dass er Produkte mit Pseudoephedrin mittlerweile aus der Sichtwahl entfernt habe. Trotzdem kämen auffallend viele Personen aus Tschechien. „Bei mir arbeiten zwei tschechische Approbierte und eine PTA. Die erkennen diese Art Kundschaft auf den ersten Blick“, sagt der Apotheker.

Bei ihm habe es auch schon richtig Ärger gegeben. Aus Wut darüber, keine Medikamente zu erhalten, habe auch schon einmal ein „Kunde“ randaliert. Mittlerweile sei er auch dazu übergegangen sich die Ausweise tschechischer Kunden zeigen zu lassen. Zwar habe er eigentlich kein Recht dazu, aber auch das sei eine Methode, um zu verhindern, dass Pseudoephedrin in falsche Hände gelange.

Wenig sinnvoll finden Sachsens Apotheker die Unterscheidung zwischen großen und kleinen Packungen. „Oft besteht schon seitens der Hersteller ein Indikationszeitraum, der den Kauf mehrerer Packungen vorsieht. Mit einem Maximalgehalt von 720 Milligramm pro Packung ist daher wenig erreicht. Daran hätte die Arzneimittelkommission durchaus denken können“, sagt Hückel.

 

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