Zwangslizenz

Nach Urteil: Sanofi nimmt Praluent vom Markt

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Berlin -

Sanofi zieht die Konsequenzen aus dem Urteil des Landgerichts Düsseldorf: Der zusammen mit Regeneron vertriebene Cholersterinsenker Praluent (Alirocumab) wurde vom Markt genommen. Ware in Apotheken, Krankenhäusern und dem Großhandel muss nicht zurückgerufen werden. Das Gericht hatte zugunsten von Amgen entschieden, dass Sanofi und Regeneron mit Praluent den deutschen Teil des europäischen Patents auf den Antikörper PCSK9 (Proprotein Convertase-Subtilisin-Kexin Typ 9) verletzt.

Repatha von Amgen enthält den Antikörper Evolocumab, der PCSK9 hemmt und damit eine Verringerung des LDL-Cholesterinwerts im Blut bewirkt. Sanofis Praluent enthält zwar einen anderen Antikörper, der hemmt allerdings ebenso PCSK9, weswegen Amgen sein Patent verletzt sah. Deshalb hatte Sanofi versucht, gerichtlich die Verhängung einer Zwangslizenz nach §§ 24 und 81 Patentgesetz erwirken, die den Vertrieb des Medikaments in der Bundesrepublik ermöglichen würde. Dem Gesetz zufolge ist das möglich, wenn sich der Lizenzsucher erfolglos darum bemüht hat, vom Patentinhaber eine Lizenz zu angemessenen Bedingungen zu erhalten, oder wenn es das öffentliche Interesse gebietet. Sanofi bezog sich vor allem auf Zweiteres: Denn das eigene Präparat sei dem von Amgen so weit überlegen, dass ein Ausfall vom deutschen Markt der Gemeinheit schaden würde.

Das Gericht konnte der französische Konzern damit nicht überzeugen. Es erließ ein vorläufig vollstreckbares Urteil, das es Sanofi und Regeneron ab sofort untersagt, Praluent in Deutschland zu fertigen, zu verkaufen und zu vermarkten. Aus der für Fachpersonal zugänglichen Produktdatenbank auf Sanofis Internetauftritt wurden sowohl Praluent als auch der Wirkstoff Alirocumab bereits entfernt.

Ware, die bereits im Umlauf ist, wird jedoch nicht zurückgerufen. Produktpackungen können dennoch portofrei an Sanofis Vertriebszentrum in Frankfurt zurückgesendet werden. Die Erstattung erfolgt laut Sanofi in voller Höhe und in Form in einer Gutschrift. Das Unternehmen weist darauf hin, dass die Zulassung von Praluent durch die europäische Kommission weiterhin unverändert gilt. Die Gerichtsentscheidung stehe in keinem Zusammenhang mit der Wirksamkeit, Sicherheit oder Qualität von Praluent. Diese seien im Prozess zu keiner Zeit in Frage gestellt worden. Auch seien keine weiteren Produkte von Sanofi oder Regeneron vom Urteil betroffen. Amgen verkündet, für den Marktaustritt bereit zu sein: Das Unternehmen habe sich bereits auf eine Versorgung der Praluent-Patienten mit Repatha vorbereitet, um weiterhin eine Therapiemöglichkeit auf PCSK9-Basis zu gewährleisten. „Oberstes Ziel Amgens ist es, die kontinuierliche Versorgung der Patienten, für die ein PCSK9-Inhibitor indiziert ist, sicherzustellen“, so das Unternehmen.

Sanofi hatte bei seiner Forderung nach einer Zwangslizent damit argumentiert, der Wirkstoff Alirocumab senke bei Hochrisikopatienten das Risiko schwerer kardiovaskulärer Vorfälle im Vergleich zur Placebo-Gruppe um 24 Prozent und die Gesamtmortalität um 29 Prozent. Zudem bestehe auch für Patienten, die nicht der Hochrisikogruppe angehörten, ein Bedarf an der Verfügbarkeit von Praluent, der gerade in der Zeit nach einem akuten Koronarsyndrom oder anderen kardiovaskulären Ereignissen besonders hoch sei. Doch die Richter folgten dem nicht: „Nach anerkannten biostatistischen Grundsätzen sind diese Ergebnisse aber statistisch ebensowenig signifikant wie die unterschiedlichen (nicht nach Todesursache unterscheidenden) Gesamtzahlen der Todesfälle, sondern können auch auf Zufall beruhen.“

Es gebe „auch sonst keinen Anhalt dafür“, dass Praluent im Vergleich zu Repatha die Mortalitätsrate von Patienten senkt, die mit einem PCSK9-Hemmer behandelt werden. Darüber hinaus hatte Sanofi angeführt, dass Praluent die Möglichkeit bietet, es niedriger als Repatha zu dosieren, was die Erteilung einer Zwangslizenz gebiete. Auch hier konnte der Konzern die Richter nicht überzeugen.

Auch der zweiten Argumentationslinie Sanofis waren die Richter nicht gefolgt: So habe der Konzern erst spät überhaupt Interesse an einer Lizenz bekundet und lediglich einen sehr niedrigen Lizenzsatz angeboten. Auf das Antwortschreiben, mit dem eine Lizenzvergabe nicht schlechthin abgelehnt wurde, sei bis zur Entscheidung des Patentgerichts nicht reagiert worden. Weitere Schreiben, die während des Beschwerdeverfahrens übersandt wurden, hat der BGH ebenfalls nicht als ernsthaftes Bemühen um eine vertragliche Einigung angesehen.

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