Merckle-Imperium

„Aufräumarbeiten beginnen gerade erst“

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Philipp Daniel Merckle sieht keine Zukunft für das überschuldete Familien-Imperium. „Mein Gefühl war schon seit längerem: Dieses verschachtelte Firmenkonstrukt kann nicht mehr funktionieren. Aktiv steuerbar ist mittlerweile ohnehin nichts mehr“, sagte er im ersten Interview nach dem Selbstmord seines Vaters dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Adolf Merckle sei schwer herzkrank gewesen: „Es wäre durchaus möglich gewesen, dass er das nächste halbe Jahr nicht mehr erlebt hätte.“

Die Wirtschaftskrise sei nicht schuld an dem Selbstmord, sie habe „den Zerfall des Imperiums nur beschleunigt“. Das Reich, das sein Vater aufgebaut hatte, sei ein „unüberschaubares Konzerngeflecht“ gewesen, und „die Verschachtelung war durchaus Prinzip“. Am Schluss habe selbst seinem Vater der Überblick gefehlt. Merckle: „Firmenkonstruktionen und juristische Spitzfindigkeiten dürfen doch nicht die Inhalte überlagern. Für mich ist übrigens erstaunlich, wie viele Leute auch in Deutschland der Illusion anhängen: Wenn etwas groß ist, muss es auch gut sein. Eigentlich erschreckend, wie wenige das hinterfragen. Auch bei uns zu Hause wurde das einfach stillschweigend so gelebt.“

Über vieles sei in der Familie nie offen gesprochen worden: „Es herrschte eine Kultur der Sprachlosigkeit.“ Grundsätzliche Fragen seien nie gestellt worden: „Was wollen wir mit all diesen Firmen? Wofür stehen wir überhaupt? Welches Ziel haben wir - außer Profit?“ Der Aufbau von Ratiopharm, also die Idee des Generika-Geschäfts, sei alleine schon ein Lebenswerk gewesen. Merckle: „Ich habe mich über die Jahre immer öfter gefragt, wem er eigentlich was damit beweisen wollte, dass er immer noch eine Firma übernahm ohne erkennbares Ziel.“

Der zweitälteste Merckle-Sohn sieht den Selbstmord „als tragischen Schlusspunkt einer Veränderung im Weg meines Vaters. Auch im Wesen wurde er immer unsteter“. Merckle: „Das passte eben alles nicht mehr zusammen. Er hatte vor sich selbst keine Achtung mehr.“ Die Rollenaufteilung daheim sei klar gewesen: „Mein Vater war fürs Unternehmen verantwortlich, meine Mutter für die Familie. Als am Ende das Imperium zu zerfallen begann, mag er sich auch gefragt haben: Was bleibt dann noch von mir?“

Dennoch könne man aus dem tragischen Fall Lehren ziehen: „Dass wir vor allem als Unternehmer zurückfinden müssen zu einer gelebten Identität; zu Werten wie Vertrauen, Glaubwürdigkeit, zu verantwortlichem Handeln und den Prinzipien ehrbarer Kaufleute.“

Entsprechend habe er versucht, Ratiopharm zu führen, auch gegen Widerstände aus der eigenen Familie: „Ich wollte den alten Verfehlungen klare Richtlinien entgegenstellen. Das war nicht leicht umzusetzen in einem Umfeld, das sich da gar keiner Schuld bewusst war“, so der 42-Jährige. „Eigentlich dachte ich, mein Vater müsste stolz auf mich sein. War er aber nicht. Am Ende konnte und wollte ich nicht mehr mit ihm und er nicht mehr mit mir.“

Der Unternehmer will künftig eigene Wege gehen, gehört auch nicht der Erbengemeinschaft an. Weil Merckle aber früher selbst im Imperium aktiv war, könnte er noch zur Verantwortung gezogen werden: „Die Aufräumarbeiten beginnen gerade erst.“

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