„Umsetzung macht keine großen Bauchschmerzen“

Overwiening: Genug Zeit für das E-Rezept

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Berlin -

Der ursprünglich angedachte bundesweite Roll-out des E-Rezepts ist vorerst geplatzt. Pharmatechnik zieht es trotzdem durch: Seit Freitag können Apotheken, die das Warenwirtschaftssystem Ixos nutzen, bundesweit E-Rezepte empfangen, verarbeiten und abrechnen. Ob wirklich bald schon welche ankommen, ist fraglich. Geschäftsführer Lars Polap weiß nach eigenen Angaben nicht genau, wie viele echte E-Rezepte in der Fokusregion bisher komplett verarbeitet wurden, aber: „Es sind in der Summe zu wenig, um hier reell von einem ausreichenden Test zu sprechen.“ Dass zwischen bundesweitem Rollout und verpflichtender Einführung nach aktuellem Plan nur vier Wochen liegen, sieht Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening nicht als Problem für die Apotheken.

Pharmatechnik und Overwiening begrüßen den Schritt der Gematik, die Erprobung des E-Rezepts in der Fokusregion Berlin-Brandenburg um zwei Monate zu verlängern. Pharmatechnik ist bisher neben Noventi das einzige Softwarehaus, das in der Fokusregion E-Rezepte empfangen und verarbeiten kann. „Am Anfang wurde mit künstlichen Rezepten gearbeitet, um die Sache in Schwung zu bringen“, erklärte Polap die Vorgehensweise am Freitag. „Wir haben auch echte Verordnungen von echten Patienten bearbeiten können. Das hat stattgefunden, aber es ist kein Massengeschäft. Es waren mehr als zwei bis drei, aber eine exakte Zahl kann ich nicht sagen. Es hat funktioniert, der Patient hat sein Medikament bekommen, aber am Ende reicht es in der Menge nicht aus.“

Rund 30 Apotheken seien in den vergangen drei Monaten in die Erprobung eingebunden worden, die erste war am 1. Juli die Feurig-Apotheke in Berlin-Schöneberg von Inhaber Konstantin Lamboy. Dass im Verlauf des Quartals nicht mehr echte Rezepte zur Erprobung entstanden, lag laut Polap „letztlich an der geringen Zahl der Teilnehmer am Projekt“.

An unüberwindbaren technischen Schwierigkeiten sei es jedenfalls nicht gescheitert. „Es wurde in den Medien so dargestellt, als würde gar nichts funktionieren. Das ist nicht der Fall.“

Hauptsächlich habe es sich bei technischen Problemen um Formsachen und Dateninhalte gehandelt. So sei aufgefallen, dass die Spezifikationen der Gematik an manchen Stellen nicht präzise genug formuliert gewesen seien, an anderer Stelle wiederum seien Probleme entstanden, weil Arztsysteme teilweise andere Datenbanken verwendeten als die Apothekensysteme. „Aber das sind normale Verfahren, die handwerklich behoben werden können. Es sind keine Sachen aufgetaucht, die dazu geführt hätten, dass der ganze Prozess gestoppt wurde.“

Die Testphase zu verlängern, sei dennoch eine folgerichtige Entscheidung gewesen. „Es sind in der Summe einfach zu wenige Fälle zustande gekommen. Eine Testphase ist da, damit alle Beteiligten das erproben können“, so Polap. Auch Overwiening verwies darauf, dass „mehr reale Erfahrungswerte“ gesammelt werden müssten. Es brauche einen „durchgängigen Prozess von Erstellung bis Abrechnung“, der auch mehrmals durchlaufen wurde. „Das muss man geübt haben, um Fehler zu erkennen. Wenn wir das nur ein-, zwei-, dreimal in der Fokusregion testen, reicht das nicht aus.“ Deshalb sei es „wirklich notwendig, dass da nochmal zwei Monate geschaut wird.“

An der mangelnden technischen Befähigungen in den Apotheken sei es jedenfalls nicht gescheitert. „Die Ixos-Apotheken sind alle E-Rezept-ready und vorbereitet. Auch außerhalb der Fokusregion sind sie seit heute in der Lage, E-Rezepte zu empfangen und zu verarbeiten“, so Gregor Malajka, Leiter des Vertriebsbereichs Apotheke bei Pharmatechnik. Die Apotheken müssten dazu nichts tun, es handele sich lediglich um ein Upgrade, wie sie ohnehin regelmäßig gemacht würden. „Wir können da auf Knopfdruck alle unsere Kunden bedienen.“ Es sei durchaus vorstellbar, dass ein Rezept von einem Arzt aus der Fokusregion in einer Apotheke außerhalb lande. „Meines Wissens nach ist das noch nicht umgesetzt worden, aber es könnte zeitnah passieren.“

Die geringe Zahl an Datensätzen, die bisher zustande kam, liegt demnach eher im Mangel an Praxisverwaltungssystemen begründet. Sie wisse von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), dass sie „nochmal einen großen Schritt in Richtung der PVS gehen will oder gegangen ist und sagt, dass sie deren Support braucht“, um nun voranzukommen, erklärte Overwiening. „Wenn die Einführung des E-Rezepts verschoben wird, wird es nicht daran liegen, dass die Apotheken nicht können“, so die Abda-Präsidentin. Dennoch: „Es ist nicht gut, wenn wir Sündenböcke suchen. Wir haben einfach zu wenig Daten sammeln können in der Zeit.“

Dass nach dem jetzigen Stand der Planung erst am 1. Dezember der bundesweite Roll-out beginnen, das E-Rezept aber schon vier Wochen später verpflichtend sein werden soll, sieht sie nicht als Problem. „Die Apotheken sind in der Tat sehr digitalaffin“, so Overwiening. Circa 50 Prozent der Inhaber hätten schon an Schulungen teilgenommen, auch Kammern und Verbände seien dabei, „dass sie die Kolleginnen und Kollegen an die Hand nehmen, und Fortbildungen anbieten“.

Es gebe viele kreative Angebote, die auch wahrgenommen würden. Eines davon ist der „E-Rezept-Führerschein“ von Pharmatechnik, der Mitte Oktober als App und als Webanwendung gelauncht werden soll. Darin können Apotheker durch „einfache, leicht verdauliche Übungen in klar strukturierten Kapiteln“ den Umgang mit dem E-Rezept in „Anwendungsfällen von einfachen Rezepten bis zu komplizierten Rezepturen durchspielen“, erklärte Johannes Hehenberger, Leiter Produktmanagement bei Pharmatechnik.

An Möglichkeiten, die Nutzung des E-Rezepts auch vor dessen verpflichtender Einführung zu erlernen, mangele es also nicht, so Overwiening. In ihrem Heimatbezirk Westfalen-Lippe beispielsweise seien in den kommenden Wochen alle Veranstaltungen ausgebucht. „Das ist angekommen bei unseren Kolleginnen und Kollegen. Von daher haben wir noch genug Zeit, das ausreichend vorbereiten. Wir müssen aber jetzt in den kommenden Monaten aktiv dranbleiben.“

Sie höre eher von Kolleginnen und Kollegen, dass sie weniger große Sorge vor der praktischen Anwendung hätten, sondern eher vor „politischen Implikationen“ wie der Stärkung der Versandapotheken. „Was die Umsetzung angeht, habe ich keine großen Bauchschmerzen“, so Overwiening.

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