Kein Kaltstart am Jahresbeginn

Apotheken sollen sich freuen auf die ePA

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Berlin -

Im kommenden Jahr geht die elektronische Patientenakte als „ePA für alle“ neu an den Start und soll dank Opt-out-Regel zum flächendeckenden Erfolg werden. Den meisten Aufwand wird es in den Arztpraxen geben, aber auch Apotheken werden mit der ePA zu tun haben. Alles aber kein Grund zur Besorgnis, findet Benjamin Neidhold, Teamleiter bei Pharmatechnik und stellvertretender Vorsitzender beim Bundesverband Deutscher Apotheken-Softwarehäuser (Adas). „Apotheken sollen sich freuen auf die ePA“, meint er. Schließlich gebe es nichts zu verlieren.

Nach dem Start ab Mitte Januar und dem Ausstellen der Akten durch die Krankenkassen geht es nach den bisherigen Plänen nach der vierwöchigen Pilotphase deutschlandweit los, sofern in den Modellregionen Franken und Hamburg und in Nordrhein-Westfalen alles funktioniert. Mit dem Herzensprojekt von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verbunden sind aber auch jede Menge Fragen – bei den Patient:innen genauso wie bei den Leistungserbringern, die damit arbeiten sollen.

Im November haben viele Krankenkassen damit angefangen, ihre Versicherten zu informieren, auch ein mobiler Infostand des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) tourt durch Deutschland. Zusätzlich gibt es verschiedene Veranstaltungen der Gematik, die die Leistungserbringer an das neue Projekt heranführen sollen.

„Das ist ähnlich groß und kompliziert wie das E-Rezept. Ich hoffe, dass es nicht in einem solchen Fiasko endet“, so Neidhold mit Blick auf den ePA-Start. Der Adas stehe aber fest dafür, dass es ein Fiasko für den Apothekensektor nicht geben werde.

Auf der technischen Seite arbeiten derzeit die beiden Aktensystemhersteller Rise und IBM unter Hochdruck an dem Aktensystem zur ePA. „Das ist kein Stückwerk, sondern handwerklich solide gemacht“, befindet der Pharmatechnik-Spezialist. Ein Bashing, weil sie vermutlich nicht im Zeitplan liegen würden, hätten die beiden Hersteller auf jeden Fall nicht verdient. Immerhin sei der ePA-Start immer ein avisierter Termin gewesen, keine Deadline. Und nach aktuellem Stand sei immer noch absehbar, das Mitte Januar alles stehe, so Neidhold.

Befüllung erst mal automatisch

Zum voraussichtlichen Start des bundesweiten Rollouts enthält die ePA dann auch eine Medikationsliste (eML), die auch die Apotheken betrifft. Zunächst müssten Apotheken aber nur wissen, wie diese angezeigt und auf Patientenwunsch ausgedruckt werden könne. „Später werden dann die Komfortfunktionen nach und nach hinzugefügt“, so Neidhold. Dazu zählt dann auch der Medikationsplan (eMP), der dann auch proaktiv von den Apotheken um beispielsweise OTC-Arzneimittel ergänzt werden soll. „Die Befüllung passiert erst einmal vollautomatisch, die Arbeit damit ist rein optional“, versucht Neidhold die Bedenken bezüglich der eML zu nehmen.

In die eML laufen alle ab Erstellung der patientenindividuellen ePA ausgestellten und eingelösten E-Rezepte automatisch über den Fachdienst rein. Nur wer bereits eine ePA hatte, was die wenigsten Menschen betrifft, bei dem werden die bisherigen Dokumente in die neue Akte übernommen. „Die meisten Bürger starten mit einer leeren Akte“, so Neidhold.

Somit hätten Apotheken zunächst nur einen „Platz am Spielfeldrand“ – sie können auf Wunsch in die ePA der Patient:innen schauen, müssen aber nicht damit arbeiten. Für diesen Schritt arbeiteten alle Softwarehäuser gerade an einer sehr einfachen und übersichtlichen Lösung für ihre jeweilige Software. Laut Neidhold kommt in der Bedienoberfläche „einfach ein Knopf“ hinzu, alles wird ohne Hürden zu bedienen sein – „keine stundenlangen Schulungen wie beim E-Rezept“, versichert Neidhold.

Noch Schwachstellen

Dringend berücksichtigt werden müssten nun vom Gesetzgeber auch die Betäubungsmittel (BtM): Da diese bisher nicht per E-Rezept verordnet werden, fließen sie auch noch nicht vollautomatisch in die ePA. „Das ist wirklich ein Risiko.“ Auch seien die drei Tage Zugriffsrecht „aus Sicht der Apotheke nicht ausreichend“, besonders beispielsweise für heim- oder pflegedienstbeliefernde Apotheken. Hier müsse noch geredet werden, doch auch solche Gespräche finden bereits statt. Es sei auch gar nicht der Anspruch, das von Tag 1 an alles umgestellt werde. Heimversorgende Apotheken werden voraussichtlich also beispielsweise erst einmal weiter arbeiten wie bisher, bis irgendwann die ePA praxistauglich eingesetzt werden kann.

Das sagt das Gesetz

Die Krankenkassen sind per Gesetz verpflichtet, ab dem 15. Januar 2025 allen Versicherten, die der Einrichtung einer ePA nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen widersprochen haben, eine ePA zur Verfügung zu stellen. Per im März in Kraft getretenem Digitalgesetz (DigiG) heißt es zudem: Ab dem Zeitpunkt, zu dem die ePA zur Verfügung steht, seien die Ärzt:innen sowie die abgebenden Apotheken verpflichtet, den eMP zu aktualisieren, soweit die Versicherten dem Zugriff des Arztes oder der abgebenden Apotheke auf Daten in der ePA nicht widersprochen haben.

„Apotheken können zudem Maßnahmen der assistierten Telemedizin anbieten“; hierzu zählen dann beispielsweise mögliche pharmazeutische Dienstleistungen (pDL), wie auch Medikationschecks. Ein Preisschild hängt an diesen freiwilligen und noch zu definierenden Leistungen noch nicht, hierzu sollen sich Deutscher Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband im Benehmen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) einigen. Womöglich gibt es auch für OTC-Ergänzungen durch die Apotheke einen Obolus – „diese Verhandlungen werden derzeit durch den DAV vorbereitet. Wir werden zu gegebener Zeit informieren“, hieß es zuletzt im September.

Arbeit mit der ePA erst später

Wie auch schon Dr. Susanne Ozegowski, Leiterin der Abteilung für Digitalisierung und Innovation im Bundesgesundheitsministerium (BMG), kürzlich bei einer Branchenveranstaltung zur ePA sagte, sei an dieses Projekt nicht mit der Erwartung heranzugehen, dass sofort alles vollständig ist und direkt mit der Akte gearbeitet werden könne. Dieser Auffassung entgegen steht der Passus aus dem DigiG, wonach auch Apotheken eigentlich zur Befüllung der ePA verpflichtet sind. Wann diese Funktion aber kommt, sei aktuell „Glaskugellesen“, so der Pharmatechnik-Experte. Zuletzt war zumindest der Start für den eMP für den 15. Juli 2025 avisiert.

„Wir schaffen nicht alles auf einmal“, so Neidhold. Es gehe zunächst einmal um relevante Basisdaten, die einfließen. Irgendwann kämen dann auch die weiteren Funktionen; erst einmal sei aber alles, was komme, „als Benefit zu sehen“: „Wir bauen die ePA für unsere Kinder.“ Im ersten Jahr würde die ePA vermutlich ohnehin von den meisten Menschen nur passiv genutzt werden „und das ist vollkommen okay“.

Dass nun bei den Konformitätsbewertungsverfahren (KOB), die alle an die TI angeschlossenen Leistungserbringer leisten müssen, der Dampf rausgenommen wurde, bewertet Neidhold als positiv. Das sei nun „kein Schreckgespenst mehr“, es gebe unter allen Beteiligten mehr Partnerschaft. Fachlich sei das ein „sinnvoller Schachzug“, um am Ende das Beste herauszuholen und direkt Erfahrungswerte zu nutzen und die ePA ständig zu verbessern.

Ein Start der ePA-Funktion in allen Apotheken zum 15. Januar sei nicht notwendig. Bei einzelnen Systemen werde das so klappen, bei anderen nicht. Die Pilotphase der ePA werde aber in keinem Fall an den Apotheken scheitern, beruhigt Neidhold. Es gelte jetzt, die Apotheken beim Thema sinnvoll abzuholen, damit sie sich „nicht ins kalte Wasser geschmissen fühlen“. „Ob die Software nun einen Tag später oder früher kommt, ist egal. Apotheken sollen sich freuen auf die ePA.“

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