Eckpunkte zur Apothekenreform

Bald 1100 Euro pro Notdienst?

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Berlin -

Die Politik verliert beim Thema pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) die Geduld: Weil nur ein Bruchteil der verfügbaren Mittel abgerufen wird, soll der weitere Zufluss in die Rücklagen gestoppt werden. Stattdessen soll das Geld in den Notdienst fließen – die Pauschale könnte sich auf mehr als 1000 Euro verdoppeln. Doch auch das wird laut Experten nur einen geringen Effekt haben.

Laut § 3 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) werden pro abgegebener Rx-Packung 21 Cent zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes sowie 20 Cent zur Finanzierung der pDL erhoben und an den Nacht- und Notdienstfonds (NNF) abgeführt. Wie Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) beim Deutschen Apothekertag (DAT) präsentierte, soll der pDL-Zuschlag komplett abgeschafft und auf die Nacht- und Notdienstvergütung umverteilt werden. Damit werde eine annähernde Verdopplung der Pauschale erreicht, heißt es in den Eckpunkten.

Tatsächlich hätten im vergangenen Jahr auf diese Weise knapp 325 Millionen Euro auf die Apotheken umverteilt werden können. So verteilten sich die Pauschalen, die auf der Grundlage von 793 Millionen Packungen erhoben wurden: 159 Millionen Euro flossen in den pDL-Topf, von denen knapp 27 Millionen Euro an die Apotheken ausgezahlt wurden. 166 Millionen Euro wurden direkt für die geleisteten Notdienste ausbezahlt.

Weniger Notdienste, höhere Pauschale

Da inzwischen vier große Kammerbezirke – Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz – die Notdienstverteilung optimiert haben, fallen seit Anfang 2024 deutlich weniger Notdienste an: Statt rund 95.000 Diensten pro Quartal werden nur noch etwas mehr als 75.000 geleistet. In der Konsequenz ist die Vergütung deutlich gestiegen: von weniger als 450 Euro auf zuletzt rund 550 Euro. Das Umlegen der pDL-Pauschale würde also dazu führen, dass bei gleich bleibender Anzahl an Packungen und Notdiensten die Vergütung auf rund 1100 Euro steigen könnte.

Politisch ist dies durchaus gewollt; gestärkt werden sollen auf diese Weise vor allem Apotheken, die viele Notdienste leisten und daher unabhängig von der Anzahl der abgegebenen Packung eine Bedeutung für die Versorgung vor Ort haben. Gleichzeitig wächst die Gefahr, dass eine höhere Vergütung an anderer Stelle Begehrlichkeiten weckt – und es zu neuen Diskussionen über eine Zentralisierung der Notdienste kommt. Dem will man im Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorbeugen, indem man alle Apotheken partizipieren lässt: „Über Zuschüsse auch für Teilnotdienste sollen die Länder in intelligenten Notdienstkonzepten zudem eine flexiblere, das Personal weniger belastende Notdiensteinteilung vorsehen können“, heißt es weiter.

Keine Kostendeckung

Dr. Sebastian Schwintek von der Treuhand Hannover ist skeptisch: „Auch mit der neuen Notdienstpauschale in der angekündigten Größenordnung werden wir keine Kostendeckung für einen 24-stündigen Notdienst erreichen“, sagt er und verweist auf Zahlen aus Baden-Württemberg. Dort hatte die Kammer auf Grundlage der durchschnittlichen Personal- und Betriebskosten von 287 Betrieben ausgerechnet, dass der Notdienst die Inhaberinnen und Inhaber durchschnittlich 1943,48 Euro kostet.

Bei der Treuhand werden derzeit bundesweite Zahlen analysiert; die Ergebnisse sollen im Oktober vorgestellt werden. „Es zeichnet sich ab, dass Landapotheken etwa doppelt so stark profitieren werden wie Großstadtapotheken“, sagt Schwintek. „Das wird den Abstand der im Durchschnitt wirtschaftlich gesünderen Landapotheken zu den Großstadtapotheken weiter vergrößern.“ Wenn die Umstellung schon Anfang 2026 greifen würde, könnte sie – je nach individueller Notdienstfrequenz, Lage und Größe – einen Teil der über den Tarif zu erwartenden Personalkostensteigerungen auffangen. „Aber dieser Effekt ist dann mit Jahresablauf aufgebraucht und dürfte auch keine Apothekenschließung verhindern.“

Zuschlag für Landapotheken

Laut Warken ist die höhere Notdienstpauschale allerdings ohnehin nur als Übergangslösung gedacht: Perspektivisch sollen gesonderte Zuschläge für Landapotheken eingeführt werden. „Bis diese Förderung auf Grundlage von Geodaten und weiteren Parametern in der Praxis umgesetzt werden kann, wird die Vergütung ländlicher Apotheken über eine signifikante Anhebung der Nacht- und Notdienstpauschale gestärkt.“

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