Kommentar

Hackerangriff aus der Apotheke

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Berlin -

Hacker sprechen von einem „Denial-of-Service-Angriff“: Ein Computersystem wird durch eine Flut von Anfragen lahmgelegt. Als Form des digitalen Protestes sind solche Attacken in den vergangenen Jahren immer populärer geworden. Doch es geht auch analog: Würde jeder Apotheker gegen jede noch so kleine Retaxation Widerspruch einlegen, würden die Retax-Sheriffs an ihre Grenzen getrieben.

Retaxationen sind immer ärgerlich – entweder teuer oder nervig oder beides. Monate, nachdem ein Arzneimittel abgegeben wurde, soll man sich noch einmal damit befassen und die Auswahl des Präparats begründen. Eine Nichtlieferfähigkeit zu beweisen, eine Bestätigung des Arztes einholen, den Spezialfall des Patienten detailliert schildern – der Aufwand ist mitunter größer als der Nutzen, besonders bei Rechnungskürzungen von wenigen Euro. Die Zeit ist dann besser in mahnende Worte an die Mitarbeiter oder einen gepflegten Wutausbruch im Kollegenkreis investiert.

Es ist sicher bequemer, das Ganze abzuhaken, sich nicht weiter zu ärgern und nicht noch mehr Zeit und Mühe in die Sache zu stecken. Dann aber gewinnt nur die Kasse. Niemand weiß, wie viele unberechtigte Retaxationen die Kassen einstreichen, nur weil sich keiner darum kümmert.

Um hier für ein Gleichgewicht zu sorgen, müssten die Apotheker den Spieß umdrehen: Warum nicht einmal unberechtigt widersprechen? Dann hat die Kasse zumindest die Arbeit und sich ihre Retaxation auch verdient. Ansonsten werden es teure Gewinne im Centbereich.

Also lieber ab ins Archiv und die grauen Zellen bemühen, um einen gut begründeten Widerspruch zu verfassen, mit dem sich die Kasse auseinandersetzen muss. Vielleicht bringt es das Geld zurück, der Schaden auf Seiten der Apotheker kann jedenfalls nicht größer werden. Und Weihnachten hin, rechte und linke Wange her: Rache ist süß.

Die Apotheker haben einen entscheidenden Vorteil: Sie sind in der Überzahl. Denn auch wenn die Kassen und ihre Retaxbuden mitunter übermächtig scheinen, hinter den Kürzungen stecken einige wenige Mitarbeiter. Und die könnte man durchaus beschäftigt halten. Auf begründete Widersprüche müssen die Kassen reagieren, sonst gilt der Einspruch als anerkannt. Das gelingt aber nur, wenn alle mitmachen. Andernfalls kann der Schuss nach hinten losgehen – wenn nämlich 99 Prozent der Widersprüche haltlos sind und die Kassen mit diesem Argument bei der Politik um Hilfe bitten.

Will man diesen Weg gehen, muss man es daher richtig machen. Denn ein einfacher, liebloser Standardwiderspruch ist zwar schnell ausgedruckt, wird aber genauso routiniert von den Kassen abgewiesen. Man muss also schon ein bisschen mehr Mühe in die Sache stecken. Nur wenn wieder und wieder triftige Argumente widerlegt werden müssen, sind die Kassenmitarbeiter beschäftigt. Und vielleicht wird die Mühe sogar mit einer Rückzahlung belohnt. Auf jeden Fall hält der Widerspruch die Kassenmitarbeiter von weiterem Unsinn ab.

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