Einkaufskonditionen

BGH-Verhandlung: Keine gesetzliche Grundlage für Skonto

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Karlsruhe -

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat heute über die Zulässigkeit von Skonti beim Einkauf von Rx-Medikamenten verhandelt. Allzu tief eintauchen in die Materie wollten die Richter nicht – weil für sie die Sache offenbar auf der Hand liegt. Eine Entscheidung soll noch heute fallen.

Für den Senat schien die Sache schon klar zu sein. Es spreche sehr viel dafür, dass die Preisunterschreitung unzulässig sei, so der Vorsitzende Richter gleich zu Beginn der Verhandlung. Auch mit Blick auf die Entstehungsgeschichte sei klar: Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sei, dass ein bestimmter Preis erhoben werden müsse.

Das Argument der Anwälte von Haemato, dass Skonti nicht ausdrücklich verboten seien, wies der Richter sogar als „kindisch“ zurück. Und dass es handelsüblich sei, sei „kein starkes Argument“. Die Tatsache, dass eine echte Gegenleistung vergolten werde, greife zwar. Aber: Ist Skonto überhaupt ein Vorteil?

Laut dem Senat ist die Zahlung eigentlich mit Lieferung sofort fällig – allen relevanten Entscheidungen der letzten 60 Jahre etwa aus dem Bereich des Kartellrechts liege die Annahme zugrunde, dass der Kaufpreis unmittelbar bei Übergabe der Ware fällig werde. Abweichende Regelungen seien ausschließlich eine Sache der Vertragsgestaltung.

„Die gesetzliche Zahlungsfälligkeit ist sofort“, somit gebe es gar keine „vorfristige Zahlung“. Anders ausgedrückt: Ein Zahlungsziel von 30 Tagen sei eine Abweichung vom Gesetz. So gesehen schaffen laut Richter die Vertragsparteien die Rechtfertigung für Skonto selbst. Ein Nachlass bei früherer als vertraglich vereinbarter Zahlung ändere jedenfalls nichts daran, dass der Zuschlag des Großhandels nicht angefasst werden dürfe.

Noch am Nachmittag will der BGH seine Entscheidung begründen.

Letzte Stellschraube

Skonti sind im verschreibungspflichtigen Bereich die letzte verbliebene Stellschraube, um die Einkaufskonditionen zu verbessern. Gerade bei Hochpreisern lässt sich so noch etwas mehr als der gesetzlich vorgesehene Zuschlag herausholen, was vor dem Hintergrund des aktuellen Zinsniveaus mit Blick auf die Vorfinanzierung den entscheidenden Unterschied machen kann.

So sind es neben dem Großhandel auch die Hersteller beziehungsweise Reimporteure, die den Apotheken für die vorfristige Zahlung einen entsprechenden Anreiz gewähren.

22.000 Euro im Durchschnitt

Die Treuhand schätzt, dass ein Verbot von Skonti jede Apotheke im Durchschnitt beim Betriebsergebnis einen Betrag von 22.000 Euro kosten könnte. „Alleine um das zu kompensieren, müsste das Fixum um 50 Cent je Packung angehoben werden“, so Schwintek. Festlegen auf konkrete Zahlen für die einzelnen Gruppen von Apotheken will sich die Steuerberatungsgesellschaft nicht, denn je nach Einkaufsverhalten gibt es hier große Unterschiede.

Während ein Verbot die Apotheken betriebswirtschaftlich empfindlich treffen könnte, stehen auf der anderen Seite die Lieferanten, denen ein entsprechendes Urteil sehr entgegenkommen würde. Denn Großhandel und Hersteller kämpfen selbst mit erheblichen Kostensteigerungen, die durch eine Kürzung bei den Konditionen wenigstens ein Stück weit ausgeglichen werden könnten. Die Handelsstufen sehen dem Ausgang also mit ganz unterschiedlichen Erwartungen entgegen.

Im konkreten Fall hatte die Wettbewerbszentrale den Reimporteur Haemato verklagt, der Direktgeschäft 3,04 Prozent Rabatt plus 3 Prozent Skonto geboten. Dazu mussten die Apotheken ihre Rechnung innerhalb von 14 Tagen begleichen; das reguläre Zahlungsziel liegt bei einem Monat.

Unumstritten ist, dass die 70 Cent Großhandelsfixum nicht rabattiert werden dürfen, sondern die Großhändler – sowie die Hersteller im Direktgeschäft – nur aus der variablen Marge von 3,15 Prozent Preisnachlässe gewähren dürfen. Umstritten ist, welche Rolle Skonti dabei spielen.

Kein Raum für Skonto

Die Wettbewerbszentrale hatte argumentiert, die arzneimittelpreisrechtlichen Vorschriften ließen keinen Raum für Skonti. Der auf Hochpreiser spezialisierte Reimporteur hatte vorgetragen, die Vorschriften enthielten kein Skontoverbot, sondern legten lediglich fest, dass ein Festzuschlag zwingend zu erheben sei. Außerdem stelle die Einräumung eines Skontos eine Gegenleistung dar für eine vorzeitige Zahlung bei einem handelsüblich längeren Zahlungsziel und sei als solche auch im Geschäftsverkehr mit Apotheken üblich und angemessen.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) vertrat die Auffassung, dass nach dem Sinn und Zweck der Norm eine Unterschreitung der arzneimittelrechtlichen Preisuntergrenze durch die Einräumung von Skonto nicht in Betracht komme. Das gilt nach Auffassung des Senats selbst dann, wenn man das Skonto als Vergütung für die vorfristige Zahlung und nicht als Nachlass auf den Preis ansehe. Denn wenn der Festzuschlag als Beitrag zur Sicherung der Existenz des Großhandels nicht skontierfähig sei, so gelte das für den Mindestpreis insgesamt.

Laut OLG ist der Wortlaut zum Festzuschlag von 70 Cent eindeutig: Die AMPreisV sei in Abweichung zu der Vorfassung mit der Formulierung „sind... zu erheben“ zwingend ausgestaltet und lasse keine Ausnahmen. Ein ausdrückliches Skonto-Verbot im Gesetzestext ist laut OLG nicht notwendig.

Widersprüchlicher Gesetzgeber

Dass überhaupt noch einmal über Skonti gestritten werden muss, ist dem chaotischen Gesetzgebungsverfahren der damaligen schwarz-roten Bundesregierung geschuldet. Denn die Beratungsunterlagen zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), in dem die Rabatt-Frage nach dem BGH-Urteil neu geregelt wurde, seien „im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Skontierung widersprüchlich“, wie das OLG festhält.

So war in der Begründung zum Referentenentwurf zum TSVG mit Blick auf die gesetzlichen Zuschläge die Rede davon, dass der Großhändler auf den Betrag „keine Rabatte oder Skonti gewähren darf“. Die nachfolgend erstellte Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vermerke dagegen, dass „Rabatte und übliche Skonti“ nur auf den Herstellerabgabepreis gewährt werden dürften. Die SPD-Fraktion schrieb in die Beschlussempfehlung und im Bericht des Gesundheitsausschusses wiederum, dass auf diese geregelten Preisbestandteile „weder Rabatte noch Skonti“ gewährt werden dürften.

Das OLG zeigte sich einigermaßen konsterniert ob dieser gesetzgeberischen Kakophonie. „Welche von mehreren, sich widersprechenden Gesetzesmaterialien grundsätzlich als maßgeblich anzusehen ist“, bedürfe hier aber keiner Entscheidung. Für die Auslegung sei der objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich, wie er sich aus Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergebe.

Demnach komme eine Unterschreitung der in der AMPreisV bezeichneten Preisuntergrenze durch die Einräumung eines Skontos nicht in Betracht. Die Regelung diene insbesondere der Gewährleistung eines funktionsfähigen Großhandels, die ihrerseits die Belieferung der Apotheken in der Fläche und damit das vorgenannte Ziel der Versorgung der Bevölkerung sicherstellen solle.

Weil der Festzuschlag also diesen Zweck habe und gerade kein Entgelt für das abgegebene Arzneimittel darstelle, kommt aus Sicht des OLG ein Skonto auf diesen Preisbestandteil nicht in Betracht.

Auch „echte Skonti“ betroffen

Das gilt laut Urteil explizit auch für „echte“ Skonti – also die Vergütung einer vorfristigen Zahlung. Die ist zwar laut BGH-Rechtsprechung grundsätzlich auch im preisgebundenen Geschäftsverkehr zulässig, nicht aber bezogen auf die 70 Cent Großhandelshonorar. Der Festzuschlag sei ein bestimmter Beitrag zur Sicherung der Existenz des Großhandels und zur Gewährleistung der Belieferung der Apotheken und könne daher nicht Gegenstand eines Nachlasses für vorfristige Zahlung sein. Die logische Konsequenz: Ist der Festzuschlag nicht skontierfähig, gilt dies auch für den zusammengesetzten Abgabepreise.

In einem Punkt bekam Haemato recht. Die Wettbewerbszentrale hatte zusätzlich den vermeintlich zu hohen Rabatt von 3,04 Prozent bemängelt. Doch der Reimporteur konnte das Gericht überzeugen, dass es sich hier nur um eine falsche Darstellung im Angebot handele und der tatsächlich verlangte Preis (Skonto ausgeklammert) die Preisgrenzen nicht verletzte.

Das OLG hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie zur Fortbildung des Rechts Revision zuzulassen. Der BGH wird sich also vermutlich ein weiteres Mal mit den Skonti der Apotheken befassen müssen.

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