USA

Big Pharma soll Terroristen finanziert haben

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Berlin -

In den USA steht wie so oft eine Reihe großer Pharmakonzerne vor Gericht – dieses Mal jedoch in einem so noch nie dagewesenen Prozess. Den Branchenriesen Johnson & Johnson, Pfizer, Roche und AstraZeneca wird nicht weniger vorgeworfen, als dass sie im Irak die schiitische Terrormiliz Dschaisch Al-Mahdi finanziert haben und so mittelbar für den Tod Hunderter US-Soldaten verantwortlich sein sollen.

Mehr als 100 Veteranen und Familienangehörige verstorbener Soldaten reichten in Washington D.C. eine Klage gegen die vier Pharmakonzerne und den Energiekonzern General Electric ein, die sich auf den Anti-Terrorism Act stützt.

Ausgearbeitet wurde die Klageschrift von den beiden großen Kanzleien Sparacino & Andersen sowie „Kellogg, Hansen, Todd, Figel & Frederick“, die nach eigenen Angaben „Tausende von Stunden an dem Fall gearbeitet und Hunderte von Transaktionen zwischen den Beschuldigten und dem irakischen Gesundheitsministerium analysiert“ haben.

Ihnen zufolge reicht die „allgegenwärtige Korruption“ der Konzerne zurück in die Ära Saddam Husseins. Damals hätten sich die Unternehmen durch systematische Schmiergeldzahlungen an Entscheidungsträger Zugang zum irakischen Markt erkauft. Mit dem Einmarsch der US-Armee und dem Zusammenbruch des Ba‘ath-Regimes änderte sich die Lage jedoch entscheidend.

Das Gesundheitsministerium im nordöstlichen Bagdader Bezirk Saddam-City war eines der ersten Ministerien, die nach der Invasion an die Iraker zurückgegeben wurde. Doch bereits 2004 übernahm die Widerstandsbewegung des radikalen schiitischen Geistlichen Muqtada Al-Sadr die Macht in dem Zwei-Millionen-Stadtteil – der kurz danach umbenannt wurde und seitdem als Sadr-City traurige Berühmtheit erlangt hat.

Al-Sadr gilt neben Abu Bakr Al-Baghdadi und Abu Mus‘ab Al-Zarqawi, dem Gründungsvater des IS, als der mächtigste Warlord und Terroristenführer der jüngeren irakischen Geschichte. Von 2004 bis 2008 führte er mit seiner Dschaisch Al-Mahdi, der „Armee des (schiitischen) Messias“, Krieg gegen die Amerikaner und war im irakischen Bürgerkrieg erbitterter Gegner der sunnitischen Terrormilizen Zarqawis.

Die beschuldigten Pharmakonzerne soll das laut Anklageschrift wenig gestört haben. Sie hätten den Klägern zufolge nach der Übernahme des Gesundheitsministeriums ihre Schmiergeldzahlungen ungehindert weitergeführt, statt an Funktionäre des Saddam-Regimes nun eben an die von Al-Sadr.

Und die Vorwürfe wiegen schwer: Durch die Schmiergeldzahlungen im Gesundheitsministerium hätten die fünf Konzerne „bewusst oder fahrlässig eine irakische Terrororganisation unterstützt, die Tausende von Amerikanern angegriffen, verwundet oder getötet hat“, schreiben die Anwaltskanzleien. „Wir werfen ihnen vor, dass diese Schmiergeldzahlungen, inklusive Bargeld und Wertgegenständen, eine wichtige Finanzierungsquelle dieser Terroristen waren“, sagte Kellogg-Hansen-Anwalt Josh Branson. Nach Ende des Saddam-Regimes seien die Korruptionszahlungen ins Gesundheitsministerium nicht nur weitergelaufen, sie seien sogar noch intensiviert worden. Der Klage zufolge liefen sie zum Teil bis heute.

Vermutlich nicht ohne Hintergedanken verweisen die Anwälte in der Klageschrift darüber hinaus auf einen weiteren Zusammenhang: Die Übernahme des Gesundheitsministeriums sei dem Vorbild der Hizbollah im Libanon gefolgt, die damit ihre Macht in weiten Teilen des Mittelmeerstaates maßgeblich stützt. Denn gerade in strukturschwachen und kriegsversehrten Gebieten kommt der Kontrolle über die Gesundheitsversorgung eine zentrale Rolle zu. Der Verweis auf die Hizbollah in der Anklageschrift berührt dabei einen wunden Punkt.

Denn zusätzliche politische Brisanz erhält der Fall durch die aktuellen amerikanisch-iranischen Spannungen bezüglich des iranischen Atom-Abkommens. Die schiitischen Milizen Al-Sadrs werden genau wie die libanesische Hizbollah – nicht nur in den USA – von vielen als Stellvertreter Irans gesehen. Die Achse aus Iran, den irakischen Schiiten, dem syrischen Assad-Regime und der libanesischen Hizbollah gilt als Rückgrat des iranischen Vormachtstrebens in der Region, dem sich die USA, Israel und die von Saudi-Arabien geführte sunnitische Allianz entgegenstellen.

Umso sensibler sind derartige Vorwürfe gegen große Pharmakonzerne in den USA, die sich nun dazu verhalten müssen. Die Konzerne weisen jegliche Schuld von sich oder kommentieren nicht. Pfizer „bestreitet kategorisch jede Verfehlung“, zitiert das Fachportal FiercePharma einen Unternehmenssprecher. Roche verweise genau wie Johnson & Johnson darauf, dass sich das Unternehmen nicht zu laufenden Rechtsstreitgkeiten äußere.

Ein AstraZeneca-Sprecher wiederum habe die Klageschrift noch nicht zu Gesicht bekommen und könne sie deshalb nicht kommentieren. „Aber ich kann Ihnen sagen, dass wir eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Schmiergeldzahlungen und Korruption haben“, schreibt er dem Portal per E-Mail. „Als Unternehmen konzentrieren wir uns darauf, lebensrettende Medikamente zu Patienten zu bringen und sind sehr bestürzt, dass jemand behauptet, wir hätten Verbindungen zu terroristischen Aktivitäten.“

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