Notdienst in Coronazeiten

„Die Kunden rufen mich an, weil sie keinen Arzt erreichen“

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Berlin -

Es ist kurz nach Mittag und Apothekerin Cordula Eichhorn ist auf dem Heimweg. Die Inhaberin der Rathaus-Apotheke in Eppstein hat einen Notdienst hinter sich und im Anschluss noch in der Offizin gearbeitet. „Nichts hat sich seit Corona so geändert wie die Notdienste“, sagt sie. Sie leiste immer öfter eine „kostenlose medizinische Beratung“ am Telefon, ohne damit Umsatz zu generieren.

Die Anfragen im Notdienst haben sich laut Eichhorn seit der Pandemie stark verändert. Wo früher der Notarzt kontaktiert wurde, werde jetzt in der Apotheke angerufen. Eine Frau habe beispielsweise gefragt, was sie mit ihrem Vater tun solle, der gestürzt sei – sie könne sonst niemanden erreichen, sagt die Apothekerin. Ein anderer Kunde klagte über Kopfschmerzen und habe wissen wollen, welches Medikament aus seiner Hausapotheke er verwenden solle.

„Ich hatte vergangene Nacht drei Anrufe dieser Art“, sagt Eichhorn. „Die Ärzte können die medizinische Beratung abrechnen, ich mache es umsonst.“ Viele Kunden sagten, es lohne sich dann nicht mehr, zur Apotheke zu fahren. „Das gab es früher nicht. Da haben die Kunden angerufen und gefragt, ob ich geöffnet habe.“ Eine Kollegin habe ihr unlängst bestätigt, dass es in ihrem Notdienstkreis derzeit ähnlich ablaufe.

Viele Anrufe hätten Fragen zu Corona-Auflagen. „Ein Kunde wollte wissen, ob er für seinen Flug in die Türkei morgen einen PCR-Testnachweis benötige. Ich habe ihm gesagt, dass er seinen Reiseveranstalter fragen soll. Daraufhin hat er geantwortet, ob ich das nicht nachsehen könnte.“

Eichhorn kann über solche Anfragen schmunzeln. Dann fällt ihr der Rat ihres Vaters ein, der ebenfalls Apotheker ist: „Rege dich nicht über Kunden auf, sonst kannst du nicht mehr schlafen.“ Die Pharmazeutin versucht diesen Hinweis zu berücksichtigen, wenn sie sich wieder auf ihr Klappbett legt. Doch die nächsten Anrufe lassen nicht lange auf sich warten. „Es gibt so viele Fragen zu Corona. Das kostet viel Zeit und Energie.“

Die Apotheken befinden sich laut Eichhorn in einer Zwickmühle. Denn einerseits wollen sie ihren Kunden helfen, andererseits sind sie auch nicht für alles Ansprechpartner. „Wenn ich einem pampig komme, riskiere ich eine schlechte Bewertung bei Google.“

Die Apothekerin verfügt wie viele Kolleg:innen über einige schöne Notdienst-Erinnerungen. „Einmal kam ein Vater, dessen kleines Kind im Auto gebrüllt hat, und wollte Fiebersaft. Er fragte nach den Geschmacksrichtungen und als ich ihm Orange, Erdbeere und Karamell anbot, wollte er wissen, ob ich nicht Vanille hätte. Da habe ich nur gesagt: ‚Ich bin doch kein Eissalon‘ und wir mussten beide lachen, weil die Situation so abstrus war. Das war total nett.“

In einer anderen Nacht führte die Apothekerin mit einer aufgebrachten Frau einen Schwangerschaftstest durch. Er sei negativ gewesen, worüber die Kundin froh gewesen sei. „Ich fand es schade, ich freue mich über jedes Baby.“

Auch das Angebot von kostenlosen Bürgertests wurde unlängst im Notdienst eingefordert. „Es war 8 Uhr und wir öffnen erst um 8.30 Uhr“, so Eichhorn. „Eine Kundin wollte für ihren Friseurbesuch getestet werden. Ich habe ihr gesagt, dass wir noch Notdienst haben und das eigentlich kein Notfall ist. Für sie war es einer.“

Über solche Fälle kann die Apothekerin schmunzeln – sie half der Frau mit einem negativen Ergebnis gerne weiter. „Wenn ich da anfange mich zu ärgern, ist der ganze Tag versaut.“ Generell bessere sich die Stimmung derzeit und befinde sich auf einem „aufsteigenden Ast“. Die Inzidenz liege unter 30 und jeder freue sich über die wiedererlangte Freiheit. Die Geschäfte hätten regulär offen und die Nachfrage nach Schnelltests in der Apotheke gehe zurück.

 

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