Pandemie-Vorsorge

Gesundheitsminister: Schutz vor Knebelverträgen

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Berlin -

Die Bundesländer wollen eine Lehre aus der Schweinegrippe-Pandemie 2009/2010 ziehen: Die Sicherstellung der Impfstoffversorgung im Fall einer Pandemie soll künftig Aufgabe des Bundes sein. Das hat die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) einstimmig beschlossen. Bis diese Entscheidung umgesetzt ist, sollen zumindest Knebelverträge durch die Hersteller verhindert werden: Die Vereinbarungen sollen flexibler gestaltet werden.

Das Problem der so genannten Optionsverträge zeigte sich bei der Schweinegrippe-Pandemie: In dem Vertrag mit GlaxoSmithKline (GSK) war festgelegt worden, dass der Hersteller Impfdosen liefert und die Länder sie abnehmen müssen, sobald die WHO oder die europäischen Regierungen die Pandemie ausrufen.

In diesem Fall musste GSK 25 Prozent der wöchentlichen Ausbeute seines Werks in Dresden für den deutschen Markt zur Verfügung stellen, maximal jedoch für 50 Prozent der Bevölkerung. Sobald die akute Pandemiegefahr endete, sollte die Produktion des Impfstoffs eingestellt werden – alle bis dahin produzierten Impfdosen mussten die Länder aber kaufen. Der Großteil der von den Ländern bestellten 50 Millionen Impfstoffdosen musste vernichtet werden.

Eine nachträgliche Änderung der vereinbarten Liefermenge oder eine Stornierung der Aufträge war laut Vertrag nicht möglich. Selbst für den Fall der falschen Gefahreneinschätzung ist GSK abgesichert gewesen: Bei einer Entwarnung hätte der Konzern pauschal bis zu 224 Millionen Euro erhalten. Insgesamt war GSK somit weitgehend vor möglichen Risiken abgesichert.

Solche Verträge soll es nach dem Willen der Gesundheitsminister der Länder künftig nicht mehr geben: Die GMK hat beschlossen, dass die Ausschreibungsmodalitäten für Optionsverträge für den Pandemiefall weniger bindend für Bund und Länder sein sollen. Anders als in dem alten GSK-Vertrag soll der Vertrag beispielsweise nicht mehr automatisch ausgelöst werden, sobald die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Pandemie ausruft. Wer für die Vertragsauslösung verantwortlich sein soll, muss allerdings noch geklärt werden.

Die Bestellmenge soll sich künftig an 30 Prozent der Bevölkerung beziehungsweise der Risikogruppen orientieren. Außerdem soll eine Flexibilisierung der Menge möglich sein. Die Verträge sollen nicht mehr automatisch ausgelöst werden. Es soll auch die Möglichkeit bestehen, die Option für die Verträge gar nicht auszuüben.

Die Gesundheitsminister wollen außerdem gesonderte Optionen für die Versorgung von Kindern prüfen. Ob Impfstoffe für besondere Zielgruppen geeignet sind, sollen das Robert Koch-Institut, das Paul-Ehrlich-Institut und die Länder festlegen.

Die Arbeitsgruppe, die die Details der neuen Verträge ausarbeiten soll, soll auch prüfen, ob die Beteiligung an einer EU-weiten Ausschreibung der Pandemie-Impfstoffe sinnvoll erscheint.

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