Sterilrezepturen

Onkologen: Chaos bei Arzneimittelversorgung

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Berlin -

Nach dem Start eines Ausschreibungsverfahrens für Krebsmedikamente in mehreren Bundesländern berichten Ärzte von teils chaotischen Zuständen bei der Versorgung. „Es kam in den betroffenen Praxen wiederholt zu ernsthaften Problemen. Da bricht eine Welle über uns herein“, zitiert die „Welt am Sonntag“ Dr. Erik Engel, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (BNHO).

In den ersten beiden Augustwochen sei es in 60 untersuchten Arztpraxen zu mehr als 30 als gravierend oder sehr gravierend eingestuften Vorfällen gekommen, zitiert der Verband die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung. So seien fehlende Chemotherapien, nicht lieferbare Begleitmedikationen, unbefüllte Infusionsbestecke, unbeschriftete Spritzen, falsche Packungsgrößen sowie unvollständige oder verspätete Lieferungen gemeldet worden.

Die AOK spreche hingegen von einem „insgesamt sehr positiv“ verlaufenen Start, bei dem es nur in Einzelfällen Probleme gegeben habe, berichtete die Zeitung. „Dass sich einige Onkologen und Apotheker aufregen, war vorprogrammiert. Da sieht so mancher Beteiligte seine Geschäftsbeziehungen und Traummargen in Gefahr“, erkläre der AOK-Bundesverband.

Die AOK Hessen, Nordost und Rheinland/Hamburg haben die Versorgung erstmals europaweit ausgeschrieben. Mit der Zytostatika-Ausschreibung nutzten sie die vom Gesetzgeber vorgesehenen Handlungsmöglichkeiten, „um eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Versorgung zu ermöglichen“, teilte der AOK-Bundesverband im Juli mit. Andere Krankenkassen wollen folgen.

Bei den im August gestarteten Verträgen erhalten die Probleme eine neue Dimension, weil die Versorgung tausender Versicherter betroffen ist. Onkologen berichten von skandalösen Zuständen und massiven Verzögerungen. Ein Krebspatient war darüber so verärgert, dass er den Mitarbeitern in der AOK-Niederlassung drohte.

Bis zu sieben Stunden hätten die Patienten teilweise in der Praxis verbracht, berichtet eine Großpraxis. Regelmäßig komme es zu Wartezeiten von zwei bis drei Stunden, obwohl von der AOK bei den betroffenen Therapien eine Lieferzeit von 45 Minuten veranschlagt sei. Neben Abstrichen bei der Qualität der Versorgung, bekommen die Onkologen auch ganz praktische logistische Probleme: Die Praxen seien voll mit wartenden Patienten.

Eine onkolgische Praxis im Rheinland hatte Protokoll geführt über die erfolglosen Versuche, die neue Partner-Apotheke der AOK zu erreichen. Mehrfach am Tag war demnach das Fax der Apotheke belegt, die Daten und Bestellungen konnten nicht oder nicht rechtzeitig übertragen werden. Doch auch bei den gelieferten Sterilrezepturen gab es laut Protokoll Probleme: Zum Teil sei keine vollständige Therapie geliefert worden, in anderen Fällen musste der Patient bis zu drei Stunden in der Praxis warten.

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