Offener Brief eines Apothekers

„Die AOK selbst will keinen einzigen Beitrag leisten“

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Berlin -

Die AOK hatte nicht nur die fehlende Erhöhung des Fixums begrüßt, kürzlich forderte der Verband sogar weitere Einsparungen bei Apotheken. Dass die Kasse in der Diskussion um Sparmaßnahmen gerne die Leistungserbringer, aber nicht sich selbst in die Pflicht nehme, ärgerte Apotheker Jarkko Seidel. Besonders weil die Apotheken heute bereits erhebliche Sparleistungen für die gesetzliche Krankenversicherung erbringen, und das ohne eine angemessene Vergütung. Er wandte sich nun in einem offenen Brief an Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbands, um eine sachliche Debatte über eine gerechte Lastenverteilung im Gesundheitswesen anzustoßen.

„Sie fordern Einsparungen bei Apotheken, Ärztinnen, Ärzten und der pharmazeutischen Industrie, um die gesetzlichen Krankenkassen zu entlasten. Doch Sie verschweigen den zentralen Punkt: Die AOK selbst will keinen einzigen Beitrag leisten“, kritisiert Seidel. Im gesamten Statement von Hoyer würde sich kein Wort zu eigenen Einsparungen finden. Keine Selbstbeschränkung, keine Effizienzmaßnahme, kein Verzicht, kritisiert der Apotheker.

Er selbst leite zwei Apotheken in Bayern auf dem Land. „Und wir setzen Tag für Tag Einsparprogramme der Kassen um: Rabattverträge, Zuzahlungsinkasso, Lieferengpassmanagement, und vieles mehr“, erklärt er in dem Schreiben. Diese Maßnahmen würden den Krankenkassen Milliardenbeträge sparen. Gleichzeitig kosteten sie den Apotheken Zeit, Personal und Verantwortung – „und werden nicht vergütet.“

3,5 Milliarden Euro im Jahr

Nach dem Gutachten von Professor Dr. Andreas Kaapke, das im vergangenen Jahr im Auftrag der Freien Apothekerschaft erstellt wurde, müsse das Apothekenhonorar heute bereits 11,78 Euro betragen, um lediglich die Inflation seit 2004 auszugleichen. „Mit einem aufwandsgerechten Leistungsaufschlag wären es 14,14 Euro!“, betont der Apotheker. Tatsächlich erhalten Apotheken aber weiterhin 8,35 Euro. Das bedeute einen realen Verlust von über 2 Milliarden Euro jährlich.

„Zusätzlich überweisen wir 1,2 Milliarden Euro Kassenabschlag direkt an die Krankenkassen“, listet der Apotheker weiter. In Summe entlasteten die Apotheken das System demnach um mehr als 3,5 Milliarden Euro im Jahr – „still, zuverlässig, ohne Anerkennung“, fügt er an.

„Und trotzdem fordert die AOK weitere 500 Millionen Euro Kürzung – ohne selbst einen einzigen Cent beizutragen.“ Wenn die Krankenkassen denselben relativen Sparanteil übernehmen würden, den die AOK den Apothekern auferlegen will, müssten sie rund 900 Millionen Euro in den eigenen Verwaltungsetats einsparen, rechnet Seidel vor.

Die Zahl zeige, wie ungleich die Lasten verteilt werden. „Das ist keine faire Sparpolitik, das ist ein Schlag gegen die Versorgung“, betont der Apotheker.

Auch Warken will bei Kassen sparen

Selbst Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) wolle die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen künftig deckeln. Doch die Pläne der Ministerin bedeuteten immer noch steigende Ausgaben – nur langsamer, kritisiert er. „Wenn sogar die Bundesregierung erkennt, dass Sparen bei den Kassen beginnen muss – warum weigert sich dann ausgerechnet die AOK, mit gutem Beispiel voranzugehen?“, fragt er. „Apotheken sind Partner im Gesundheitswesen, keine Verfügungsmasse.“

Wer flächendeckende Versorgung wolle, dürfe nicht diejenigen schwächen, die sie täglich sichern. Seidel endet mit einem Appell: Er lade dazu ein, nicht über, sondern mit den Apotheken zu sprechen.

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