Praxishonorare

Ärzte: Millionen statt Milliarden

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Berlin -

Angespannt war die Atmosphäre, als Ärzte- und Kassen-Vertreter am Donnerstag im nüchtern-luftigen „Konferenzraum 1“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am Berliner Tiergarten zusammenkamen. Etwa 3,5 Milliarden Euro wollten die Ärzte herausholen – was einem Aufschlag von 11 Prozent entspricht. Die Kassen wollten rund 2,2 Milliarden sparen. Am Ende entschied der unabhängige Vorsitzende des Schlichtergremiums, der Duisburgeer Gesundheitsökonom Professor Dr. Jürgen Wasem, gegen die Stimmen der Ärzte für das vergleichsweise kleine Honorarplus von 0,9 Prozent.

 

Das Honorar für die rund 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten wird kompliziert errechnet. Verhandelt werden beim sogenannten Orientierungspunktwert Nachkommastellen: Aktuell sind es 3,5048 Cent statt 3,5363 Cent. Dies entspricht laut GKV-Spitzenverband einem Plus von rund 270 Millionen beziehungsweise einer durchschnittlichen Honorarerhöhung von 1800 Euro pro niedergelassenem Arzt im Jahr.

Während die Krankenkassen von einer „vernünftigen Lösung, die den Interessen beider Seiten entgegenkommt“, sprechen, findet KBV-Chef Dr. Andreas Köhler das Ergebnis „fatal“: „Wer solche Signale aussendet, braucht sich nicht zu wundern, wenn der medizinische Nachwuchs ausbleibt und keine Nachfolger für Landarztpraxen zu finden sind.“

Seit 2008 habe es keinen Inflationsausgleich und keinen Ausgleich für gestiegene Praxiskosten gegeben; der betriebswirtschaftlich kalkulierte Punktwert liege sogar bei 5,11 Cent. „Eine Erhöhung des Orientierungswertes um niedrige 0,9 Prozent ist mit uns nicht zu machen. Wir werden ein deutlich wahrnehmbares Zeichen setzen, was wir von dieser Entscheidung halten und dass sich die Ärzteschaft so nicht behandeln lassen kann.“

 

 

Fakt ist, dass die Ärzte von den Kassen seit Jahren mehr Geld bekommen: 25,3 Milliarden Euro waren es 2002, 30,8 Milliarden Euro 2009 und zuletzt 33,3 Milliarden Euro. Um 31 Prozent sind die Einnahmen in acht Jahren gewachsen, die Apotheken liegen bei einem Plus von 2 Prozent. Doch das Geld ist auch bei den Medizinern höchst unterschiedlich verteilt.

Nimmt man den durchschnittlichen Honorarumsatz – Betriebsausgaben, Steuern und Versicherungen sind da noch nicht abgezogen – lagen laut KBV-Zahlen die Laborärzte mit rund 230.000 Euro pro Quartal an der Spitze. Nierenspezialisten und Strahlentherapeuten verdienten ähnlich gut. Bei Orthopäden kamen dagegen in den ersten zwei Quartalen 2011 demnach jeweils nur rund 56.000 Euro an – kaum mehr als zwei Jahre vorher. Hausärzte verbuchten rund 52.000 – fast 7000 Euro mehr.

Und was kommt unterm Streich heraus? Das monatliche Nettoeinkommen der Kassenärzte beträgt laut KBV nach den jüngsten Zahlen im Schnitt 5442 Euro. Einem Allgemeinmediziner blieben demnach im Schnitt 5018 Euro pro Monat, einem Orthopäden 6344 Euro, einem Psychotherapeuten dagegen nur 2658 Euro.

 

 

Aufgeholt haben in den vergangenen Jahren die Ärzte in Ostdeutschland. Und auch pro Patient pro Quartal legten manche Ärzte zu. So stieg dieser Fallwert etwa bei Kinderärzten binnen zwei Jahren von 49 auf 54 Euro – bei Radiologen sank er leicht auf 71 Euro.

Es ist unbekannt, wieviel die Ärzte der einzelnen Gruppen abzüglich Aufwendungen in der Praxis, aber vor Steuern und Abgaben, heute bekommen. Die nächsten Zahlen des Statistischen Bundesamts soll es kommendes Jahr geben. 2007 lagen hier die Radiologen mit 264.000 Euro an der Spitze. Mit 116.000 Euro bildeten die Allgemeinmediziner das Schlusslicht.

Die KBV baut ihren „Konferenzraum 1“ bis Samstag um. Dann kommen dort hunderte Ärzte aus ganz Deutschland bei einem Sondertreffen zusammen, um ihrem Ärger über die Krankenkassen Luft zu machen. Köhler: „Wir werden ein deutlich wahrnehmbares Zeichen setzen, was wir von dieser Entscheidung halten und dass sich die Ärzteschaft so nicht behandeln lassen kann.“

 

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