Kommentar

Wer, wenn nicht die Apotheker!

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Berlin -

Die Entlassung der Pille danach aus der Rezeptpflicht war im vergangenen Jahr eines der großen Apothekenthemen in den Medien. Würde der Verbrauch sprunghaft ansteigen? Würden die Apotheker gut beraten? Bislang haben sich die Teams in den Apotheken offenbar gut geschlagen, jetzt kommt eine neue Herausforderung auf sie zu. Wie immer ist das auch eine Chance. Ein Kommentar von Alexander Müller.

Die Debatte um die Pille danach war – vorsichtig ausgedrückt – aufgeladen. Der damalige Gesundheitspolitiker und heutige Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) hatte sich für die Beibehaltung der Rezeptpflicht ausgesprochen und damit vor allem Frauenrechtlerinnen gegen sich aufgebracht – Stichwort #wiesmarties. In den Medien wurden natürlich auch die Interessen der Pharmaindustrie kritisch hinterfragt, die der Apotheker ebenso.

Besonders aggressiv gegenüber den Pharmazeuten waren seinerzeit aber die Kollegen in Weiß: Vor allem die Gynäkologen trauten den Apothekern nicht zu, Frauen in Not korrekt zu beraten. Insbesondere im Notdienst könnten Apotheker nicht richtig über Einnahme und Nebenwirkungen, die Verhütung im weiteren Zyklus oder sexuell übertragbare Erkrankungen informieren. Auch die Wirkstoffauswahl sahen die Mediziner bei den Pharmazeuten nicht gut aufgehoben.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Apotheker das heikle Thema durchaus beherrschen: Von einem sprunghaften Anstieg ungewollter Schwangerschaften oder gravierenden Nebenwirkungen ist nichts zu lesen. In Apotheken werden ohnehin täglich pharmakologisch kritischere OTC-Arzneimittel abgegeben.

Eine Befürchtung war, dass Frauen sich die Notfallmedikamente nicht erst im Notfall besorgen würden, sondern in der Hausapotheke auf Vorrat legen würden. Abgesehen davon, dass dies auch unter der Rezeptpflicht möglich war, sprechen die Zahlen nicht für diese Theorie. Der Absatz der Pille danach ist im erwartbaren Ausmaß gestiegen.

Doch künftig könnten die Apotheker sogar explizit gehalten sein, zwei Packungen der Pille danach abzugeben: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verlangt von den Herstellern eine Ergänzung der Fachinformation und Information der Fachkreise: Bei bestimmten Comedikationen soll die Dosierung entsprechend angepasst werden, um eine Schwangerschaft wirksam zu verhindern.

Da mittlerweile 80 Prozent der Frauen sich das Mittel ohne Rezept besorgen, liegt die Verantwortung auch für eine Doppelabgabe hauptsächlich bei der Apotheke. Ärgerlich genug, dass über die Anpassung wieder nur die Gynäkologen informiert werden sollen. Das zeigt, dass die Debatte noch nicht zu Ende geführt ist: Die Apotheker müssen sich weiter beweisen und dafür eintreten, Verantwortung übernehmen zu dürfen, die sie bereit und befähigt sind zu schultern.

Zunächst müssen die kritischen Wechselwirkungen natürlich im Team bekannt sein und im Einzelfall thematisiert werden. Wie bei jeder Comedikation muss der Apotheker dann die Risiken abwägen und die Patientin aufklären, ohne sie zu verunsichern. In diesem Fall liegt vielleicht ein besonderes Augenmerk auf der Gefahr, das Arzneimittel zu trivialisieren.

Den OTC-Switch haben die Apothekerkammern sehr ernst genommen und ihre Mitglieder in zahlreichen Fortbildungen geschult. Die Bundesapothekerkammer hat einen Leitfaden mit Checkliste herausgegeben, der sich in der Praxis offenbar bewährt. Jetzt muss auch die neue Vorgabe berufsintern gut kommuniziert werden, damit die Teams in der Apotheke ihre Souveränität behalten. Denn jede Kundin mit Wunsch nach Pille danach und einer kritischen Comedikation an den Arzt zu verweisen, wäre eine Bankrotterklärung der Pharmazeuten.

Die Apotheker sollten dies als große Chance begreifen: Sie können bei einem ehemals verschreibungspflichtigen Arzneimittel die Dosis selbstständig anpassen. Das ist noch weit weg von pharmazeutischen Visionen wie der eigenständigen Folgeverordnung oder dem Impfen in der Apotheke – aber es ist ein Schritt in diese Richtung. Wer, wenn nicht die Apotheker, kennen sich mit Wechselwirkungen aus?

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