Gesundheitsökonom

Peter Oberender verstorben

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Berlin -

Professor Dr. Peter Oberender war einer der bekanntesten deutschen Gesundheitsökonomen, ein streitbarer überdies. Am vergangenen Mittwoch starb er im Alter von 73 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit.

Oberender wurde 1941 in Nürnberg geboren. Bis 2007 hatte er den Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie der Universität Bayreuth inne. Zuletzt leitete er jeweils als Direktor die Forschungsstelle für Sozialrecht und Gesundheitsökonomie der Hochschule sowie das Institut für angewandte Gesundheitsökonomie (IaG).

Zudem war er Inhaber und Seniorpartner von Oberender & Partner, einem Beratungsunternehmen im Bereich Gesundheitsökonomie und Krankenhausmanagement. Er war Gründungspräsident der Wilhelm Löhe Hochschule für angewandte Wissenschaften in Fürth (WLH). „Oberender war Impulsgeber, akademischer Motivator und letztendlich eine der Seelen unserer jungen Hochschule“, erklärte der Dekan, Professor Dr. Hermann Schoenauer.

Von 1987 bis 1990 gehörte Oberender der Enquete-Kommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung des Deutschen Bundestages“ an. Zwischen 1999 bis 2005 gehörte er dem Wissenschaftsrat an und saß dort der Arbeitsgruppe Public Private Partnership in der Hochschulmedizin vor. Zudem war er Mitglied der Bayerischen Bioethik-Kommission und saß dem Bundesschiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung stellvertretend vor. 2012 ernannte ihn der damalige bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil zum Beauftragten für die bayerische Gesundheitswirtschaft.

Oberender lehrte Gesundheitsökonomie an der Wirtschaftsakademie Deutscher Apotheker (WDA). Im Apotheken- und Pharmamarkt war er als Fürsprecher einer Liberalisierung mit Augenmaß bekannt. So kritisierte er etwa das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz als Wettbewerbsschwächungsgesetz, welches „Zentralverwaltung pur“ mit wenigen Nischen für Wettbewerb bedeute.

Die Rabattverträge sah er als Entmündigung des Apothekers, weil sie vorschrieben, welches Arzneimittel abgegeben werden müsse. Zudem kritisierte er, dass Rabattverträge durch die vorgeschriebenen Medikamentenwechsel die Compliance der Patienten negativ beeinflussen – und dadurch Mehrausgaben verursachen könnten.

Oberender war vor allem wegen seiner marktwirtschaftlichen Positionen bekannt: So stellte er die paritätische Finanzierung der GKV in Frage und kritisierte die Budgetierungen im Gesundheitswesen als „künstliche Eindämmung eines möglichen Marktwachstums“. Er forderte, die Politik der Planwirtschaft hin zu einer marktwirtschaftlichen Gesundheitspolitik zu verändern, jedoch „bei einem ausreichenden Schutz ökonomisch Schwacher und chronisch Kranker“.

Oberender sah das Gesundheitssystem als eine potenzielle Wachstumsbranche – getragen vom medizinischen Fortschritt, der demografiebedingten Alterung und einer hohen individuellen Wertschätzung der Gesundheit.

Besonders sein Plädoyer für einen kommerziellen Organhandel unter klar definierten Rahmenbedingungen fand viele Kritiker, aus der linken Szene und von Gewerkschaften und Sozialverbänden. „Jeder Mensch soll aus freien Erwägungen entscheiden, ob die Vorteile eines Organkaufs oder -verkaufs für ihn in einem opportunen Verhältnis zu den möglichen Nachteilen stehen“, wurde Oberender zitiert. Wenn jemand existenziell bedroht sei, sollte er die Möglichkeit haben, sich durch den Verkauf von Organen zu finanzieren.

Zweifel hatte Oberender an der europäischen Währung: 1992, nach dem Abschluss der Verträge von Maastricht, unterzeichnete er gemeinsam mit mehr als 60 deutschen Wirtschaftsprofessoren das eurokritische Manifest „Die EG-Währungsunion führt zur Zerreißprobe“. Knapp 20 Jahre später war Oberender einer von 68 Gründern der Wahlalternative 2013. Aus dem Kreis dieser Gruppe entstand später die Alternative für Deutschland (AfD).

In einem Nachruf würdigen WLH-Kanzlerin Dr. Sabine König und Vizepräsident Professor Dr. Jürgen Zerth den Volkswirt als Forscher, mit einem Drang, Dinge zu gestalten und Gesellschaft mit zu bauen. „Als liberaler Ökonom und tief verwurzelt in einem christlichen Menschenbild hat er viele ermuntert, akademisch tätig zu werden, ermuntert auch für eigene Überzeugungen einzustehen.“

Freiheitlichkeit sei für ihn Folge der Christlichkeit. „Den akademischen Austausch, den akademischen Streit, in dem Sinne, andere Meinungen wert zu schätzen und sich mit Ihnen auseinanderzusetzen, wenn sie gut begründet waren, war ein Ausdruck seines Anspruchs an eine Hochschule“, so König und Zerth. Damit habe er ein Klima der wissenschaftlichen Weite und eine inspirierende Streitkultur geschaffen.

„Die Wilhelm Löhe Hochschule verliert nicht nur den Gründungspräsidenten, sondern vor allem einen Menschen, der mit ganzer Kraft und mit unendlich viel Herzblut für eine akademische Lehre und Forschung stand. […] Ohne ihn wäre die bisherige Entwicklung der Wilhelm Löhe Hochschule so nicht möglich gewesen“, heißt es im Nachruf.

Oberender war er der erste Träger der Gérard-Gäfgen-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie. 2011 wurde er in die Klasse Social Sciences, Law and Economics der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste aufgenommen.

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