Vom experimentierfreudigen Kind zum geschäftstüchtigen Apotheker

Ruhestand-Apotheker: „Ich habe kein Interesse aufzuhören"

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Berlin -

Klaus Lieske ist als Sohn eines Bergmanns in der Ickerner Zechensiedlung in Castrop-Rauxel aufgewachsen. Schon während seiner Kindheit fesselte ihn das Interesse für Chemie und Experimente. Dass er einmal Abitur machen und später studieren würde, war damals nicht selbstverständlich. Heute ist der 69-jährige Apotheker fast 40 Jahre selbstständig.

Studiert hat Klaus Lieske in Braunschweig. Schon damals war ihm klar, dass er sich selbstständig machen möchte. „Was anderes kam gar nicht in Frage“, berichtet er. „Ich kenne auch überhaupt keinen Kommilitonen, der nicht selbstständig geworden ist. Das war damals der ganz normale Weg.“ Unter den Studierenden sei damals der Drang, in die Industrie zu gehen, nicht annähernd so groß gewesen wie heute.

Waghalsiges Hobby

Aus reinem Interesse an Experimenten entstand zunächst der Wunsch, das Pharmaziestudium anzugehen. „Ich habe gerne Bomben gebaut. Ich fand das so toll.“ Es sei zum damaligen Zeitpunkt überhaupt kein Problem gewesen, Schwarzpulver und ähnliche Rohstoffe zu bekommen. „Ich habe also versucht, mein Hobby in diese Entscheidung einfließen zu lassen und mir überlegt, in welchem Beruf ich am meisten mit Chemikalien zu tun habe. Das war einfach das, was mich interessiert hat und als Kind der erste Impuls in diese Richtung.“ Mit wachsendem Wissen über das Fachgebiet der Pharmazie sei dann selbstverständlich auch der Wunsch entstanden, Menschen zu helfen und gesundheitsfördernd beraten zu können.

„Jugend forscht“

Seine Experimentierfreude brachte Lieske früher zum bekannten Schüler- und Jugendwettbewerb „Jugend forscht“. Er baute eine Rakete, die lediglich aus Zeitungspapier und Schwarzpulver bestand. „Die ist weit über 1000 Meter geflogen.“ Für den Gewinn hat es gereicht, jedoch stand eine Woche später die Polizei vor der Tür. „Die gratulierten mir und huldigten die tolle Leistung. Allerdings klärten sie mich auch darüber auf, dass es verboten war: Die Rakete hätte nicht höher als 500 Meter fliegen dürfen.“ Lieske ist sich sicher, dass es in dem Fall heutzutage eine Anzeige mit viel Stress und Theater gegeben hätte. „Ich habe versprochen, es nicht zu wiederholen. Damit war die Sache vom Tisch.“

Viktoria Apotheke

Nach seiner Approbation 1982 arbeitete Lieske für zwei Jahre als angestellter Apotheker – in genau der Apotheke, die er anschließend übernommen hat: Die Viktoria Apotheke in Castrop-Rauxel. „Das war damals mit dem Vorbesitzer für einen angenehmen Übergang so ausgemacht, dass ich erstmal angestellt bin. Dann habe ich sie für fünf Jahre gepachtet und schließlich gekauft.“ Klaus Lieske ist der dritte Inhaber der Apotheke, die 1914 kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges gegründet wurde. Benannt hatte sie der damalige Besitzer nach Viktoria-Luise von Preußen – der Tochter des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen Wilhelm, dem Zweiten und dessen Frau Auguste Viktoria.

Ideenreich und geschäftstüchtig

Lieske war in all den Jahren stets darauf aus, innovativ zu bleiben. Er hat beispielsweise den MVDA (Marketing Verein Deutscher Apotheker) mitgegründet, die „die größte Apotheken-Kooperation der Welt“ geworden ist. „Ich gehöre zu den vier ersten Apothekern, die den MVDA im Ruhrgebiet erdacht und ergründet haben“, so der Apotheker. Aus dieser Kooperation ist auch die Apothekendachmarke „Linda“ entstanden. Lieske verließ 2020 den Vorstand des MVDA.

Als die Pflegedienste erlaubt wurden, beteiligte sich der Inhaber an einem Unternehmen namens Apocare. In den Räumen neben seiner Apotheke war es möglich, diesen Dienst zu betreiben. „Der Pflegedienst wurde allerdings relativ schnell so groß, dass wir die Zentrale nach Herne verlegt haben. Der Name ist heute Solicare. Die Pflegedienstleitung haben wir bis heute.“

Ein weiterer Einfall Lieskes: die Dinopharm, die Kosmetik herstellte. Zum damaligen Zeitpunkt sei das Thema Dinosaurier im Hause Lieske sehr präsent gewesen, weil Sohn Benjamin daran Interesse gefunden hatte. „Er mochte einfach alles, was mit Dschungel und Dinos zu tun hatte.“ So sei der Name entstanden. Außerdem entwickelte Klaus Lieske Kräuterschnaps. Den „Ickerschen Doktor“ gibt es bis heute in seiner Apotheke zu kaufen.

Weiterhin betreibt er seinen eigenen Versandhandel: Doc-Europe. „Den Namen habe ich mir schützen lassen, als es noch gar keinen Versandhandel gab. Ich fand den so gut.“ Nicht alle Unternehmen, die Lieske gegründet hat oder an deren Gründung er beteiligt war, waren von Erfolg gekrönt. Doch es sei ihm stets wichtig gewesen, „seiner Idee wenigstens eine Chance gegeben zu haben“. Man müsse alles versuchen: „Kein Mensch weiß vorher, was hinterher funktioniert und was nicht.“

Marktführer mit Mückenschutz

Was in jedem Fall zu großem Erfolg führte, war Mitte der Achtziger Jahre die „Dschungelmilch“ – ein Schutz gegen Mücken. „Damals haben wir in den Apotheken viel mehr Rezepturen verkauft, die die Patient:innen so haben wollten. Auch Rohstoffe sowie ätherische Öle, die man sich auf die Haut schmieren konnte, um Mücken abzuwehren. So sind wir auf die Rezeptur der Dschungelmilch gekommen.“

Wieder gab Benjamins Interesse den Impuls zur Namensgebung. „Da passte das eben auch wieder, und der Name Dschungelmilch gefiel uns außerdem noch sehr gut.“ Über 10 Jahre verkaufte sich das Schutzmittel gegen Insekten sehr gut. „Wir waren irgendwann mal sowas wie Marktführer mit dem Produkt.“ Dann haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert und die Dschungelmilch hätte als freiverkäufliches Arzneimittel zugelassen werden müssen. „Da haben wir uns dagegen entschieden und das Mittel vom Markt genommen.“

Kein Ende in Sicht

Klaus Lieske hat das Rentenalter zwar bereits erreicht – ans Aufhören denkt er dennoch nicht. „Es hat sich bei mir schlimmerweise so ergeben, dass vor eineinhalb Jahren meine Frau gestorben ist. Sie hat auch in der Apotheke gearbeitet. Was soll ich machen? Allein zu Hause sein, ist für mich keine Option.“ Hinzu komme, dass sein Sohn seit zehn Jahren selbstständiger Apotheker ist und unweit der Viktoria Apotheke seinen Betrieb leitet. „Wir arbeiten sehr gut und schön zusammen. Somit habe ich kein Interesse aufzuhören.“

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